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Die Auswanderung der Deutschen ins Schwarzmeergebiet

Deutsche Siedler in Bessarabien (Bessarabiendeutsche)

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Auswanderung nach Bessarabien
Auswanderungsroute nach Bessarabien

1812 nach dem russischen Sieg über die Osmanen musste das Osmanische Reich im Frieden von Bukarest am 16. Mai 1812 das Gebiet zwischen Pruth und Dnister an Russland abtreten.

Dieses Gebiet, Bessarabien genannt, wurde als eigener Oblast (russisch: Provinz) organisiert und zur Besiedlung freigegeben.

Am 29. November 1813 rief Alexander I. die deutschen Siedler im Herzogtum Warschau1, dem heutigen Zentral- und Nordwestpolen, auf, als Kolonisten nach Südbessarabien zu kommen und versprach ihnen Land und Freiheitsrechte.

Posen, Danzig, Bromberg, Marienwerder (Kwidzyn), Łódź und Warschau im heutigen Polen
Posen, Danzig, Bromberg,
Marienwerder (Kwidzyn), Łódź
und Warschau im heutigen Polen

1813/14 verließen rund 1.700 deutsche Familien, mit Ausnahmen alles Lutheraner, ihre Siedlungen bei Posen, Danzig, Bromberg, Marienwerder (Kwidzyn), Łódź und Warschau. Diese Familien waren dort schon um 1800, überwiegend aus dem damaligen Herzogtum Württemberg, eingewandert, hatten 1806 aber alle preußischen Privilegien verloren und 1812 wurden ihre Sied-lungsgebiete durch napoleonische Truppen verwüstet. Unter den Auswanderern waren neben “Schwaben“ und “Preußen“ auch Mecklenburger und deutsche Siedler aus anderen Herkunfts-ländern, die entweder auf eigene Faust aus Polen nach Südrussland weiter zogen oder sich den “Warschauer Kolonisten“ an-schlossen.

Unter diesen Kolonisten befanden sich auch meine Vorfahren und zwar:

meine Vorfahren väterlicherseits:

  • Johann Michael König2 (*29.11.1785 in Bodelshausen, Württemberg; †11.4.1840 in Tarutino) wanderte mit seiner Frau Anna Susanna Sommerfeld (*26.5.1793 in Hörschweiler, Freudenstadt) und seiner Tochter Ursula (*1810 in Neusulzfeld (Nowosolna), Herzogtum Warschau1) 1814 nach Tarutino in Bessarabien
  • Reinhard Gottlieb Leitz (*9.2.1770 in Hölzern, Eberstadt) wanderte über Neu Sulzfeld (heute: Nowosolna 1814 nach Alt-Elft in Bessarabien
    Auszug aus dem Familienregister der Familie Leitz
    Reinhard Gottlieb Leitz, posthum g (nach dem Tod des Vaters geboren), geb. 9.2.1770, hat sich nach Polen begeben, ist mit einer Weibsperson von Hochdorf verheiratet
  • Christian Gottlieb Hiller, geb. um 1775 in Ohmden, Württemberg über Zargórze in Westgalizien, das zu Preußen gehörte, wo 1802 sein Sohn Daniel Hiller geboren wurde, 1814 nach Alt-Elft
  • die Famlie Daub o Taube wanderte 1814 nach Alt-Elft
  • der Witwer Matthäus Stumm3, Weber, *1775 in Auingen/Württemberg, wanderte 1814 mit seinen 5 Kindern aus 2 Ehen, alle in Auingen geboren) über Neu Sulzfeld nach Wittenberg in Bessarabien

meine Vorfahren mütterlicherseits:

  • Familie Bietz aus Grabów (im Zuge der Zweiten Teilung Polens wurde Grabów zunächst 1793 bis 1807 preußisch, 1807 bis 1815 wieder polnisch und ab 1815 wieder preußisch) südwestlich von Łódź in Preußisch Polen 1814 nach Alt-Posttal
  • Der Witwer Johannes Frey4, Bürger, Flößer und Tageslöhner aus Erzgrube in Württemberg, wanderte 1814 mit seinen Kindern nach Wittenberg
  • Johann Michael Calmbach5 wanderte 1814 mit seiner Frau Anna Frey und seiner Tochter Karoline (*26.11.1811 in Grömbach heute: Łaznowska Wola in Polen) nach Wittenberg
  • Gottlieb Siewert (*1770; †12.8.1820 Neu Elft) wanderte 1814 mit seinen 5 Kindern (Wilhelmina (*1.1.1794 in Preußen), Friedrich (*16.8.1795 in Preußen), Johann (*21.3.1798 in Preußen), August (*16.8.1799 in Boginia/Polen), Ludwig (*31.10.1811 in Polen) und Gottfried nach Alt-Elft
  • Familie Spielhaag (oder Spielhag Spielhack Spielhacke Spieltag Spielhak Spuelhaag) wahrscheinlich über Boginia/Polen 1814 nach Alt-Elft in Bessarabien
  • Familie Jung wanderte 1816 nach Kulm in Bessarabien
  • Johann Adam Hager (*20.11.1769 in Linkenheim, Württemberg) wanderte mit seiner Frau Christina Salomea Diem und drei Kindern (Dorothea Magdelena, *26.9.1797 in Oschenburg; Margaretha, *17.9.1809 in Erdmannsweiler (Kochanów); Barbara, *1812 in Neusulzfeld, heute: Nowosolna) über Erdmannsweiler (heute: Kochanów) und Neusulzfeld 1814 nach Alt-Elft
  • Familie Klaudt wanderte 1814 nach Paris in Bessarabien
  • Familie Peter Kühn oder Kuhn, geb. 1765 in Walleringen, Lothringen wanderte 1814 nach Paris in Bessarabien
  • Familie Jassmann über Bogonia und Brzeziny in der Woiwodschaft Łódź 1814 nach Paris
  • Michael Jahns (*1780) mit seiner Familie 1814 nach Paris
  • Christian Lange, geb. am 11.11.1777 in Alt-Stettin (Pommern) wanderte mit seiner Familie über Königshuld (Poproc Duza) 1814 nach Borodino
  • Andreas Christian Grabau6 (*1766 in Voigtsdorf, Mecklenburg-Vorpommern) wanderte 1814 mit seiner Frau Dorothea Simdorn (* in Brunn, Mecklenburg-Vorpommern) und seinen 4 Kindern (Martin Andrea, geb. 1792; Friedrich Ludwig, geb. 29.10.1794; Magdalena Sophia, geb. 1797; Frederika, geb. 12.10.1810 in Königshuld, im heutigen Paproć Duża, nach Borodino in Bessarabien
Hier geht’s zu meinem Stammbaum mein Stammbaum
Budschak in Bessarabien
die Lage des Budschak in Südbessarabien

Der Einladung Alexanders I. folgten ab 1816 auch Siedler aus dem Königreich Württemberg, Großherzogtum Baden und dem Königreich Bayern. Bis 1828 siedelte die russische Kolonial-behörde etwa 9.500 Deutsche in Südbessarabien (Budschak) an.

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Nach dem polnischen Aufstand 1830/31 verließen ursprünglich aus Preußen, Mecklenburg und Württem-berg stammende Siedler das Königreich Polen und gründeten in Bessarabien 1834 die Mutterkolonie Friedenstal und 1836 die Mutterkolonie Plotzk.

Unter diesen Auswanderern befand sich auch ein Teil meiner Vorfahren väterlicherseits, und zwar:

  • Johann Höhn7, geb. 11.8.1809 in Luisenhold bei Plonsk in Polen, emigrierte 1833 mit seiner Frau Christine Schwandt, geb. 1808 in Lysin nach Plotzk in Bessarabien.
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Von 1814 bis 1842 wurden 25 Mutterkolonien gegründet, aus denen dann später über 100 Tochterkolonien hervorgingen.

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Anmerkungen

1 Herzogtum Warschau = Als nach der 2. Teilung Polens (1793) Großpolen mit Posen, Gnesen und Kalisch und nach der 3. Teilung (1795) auch noch ein Teil Masowiens mit Warschau, dazu Płock und Białystok an Preußen fiel, siedelte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen seit 1800 in den neuen Provinzen „Südpreußen“ und „Neu-Ostpreußen“, auf staatlichen Ländereien aber teilweise auch auf enteigneten polnischen Gütern, 13.800 Personen an, von denen die meisten aus dem Herzogtum Württemberg stammten.
Hier trafen sie auf niederdeutsche Kolonisten, die schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts eingewandert waren. Nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich im Jahr 1807 wurden diese Gebiete mit dem Kulmer Land und dem Netzedistrikt zum „Herzogtum Warschau“ vereinigt.
Im neu gegründeten französischen Vasallenstaat lebten zirka 2,6 Mio. Menschen, davon waren 79% Polen, 7% Juden und 6% Deutsche. Die alten Herren waren zurückgekommen und die dort ansässigen deutschen Kolonisten verloren nun wieder Haus und Hof, Ernte und Vieh und alle preußischen Privilegien. Fortan mussten sie sich als Tagelöhner bei polnischen Gutsbesitzern verdingen. Bei den Großgrundbesitzern und dem katholischen Klerus Polens befanden sich die Kolonisten nun in einem „persona non grata Zustand“.
Die hohen Pachtzinsen an polnische Adlige und die Plünderungen der geschlagenen französischen “Grande Armée”, die sich auf dem Rückzug befand, stürzten viele deutsche Kolonisten in große Not. Am schwersten betroffen waren die zuletzt angesiedelten kaum verwurzelten Schwaben, die noch keine stabilen Häuser gebaut und ihre Höfe noch nicht eingerichtet hatten.
Da die Regierung kein Interesse an Abwanderungen hatte, versuchte sie im Allgemeinen trotz allem diese Kolonisten von der Emigration abzuhalten. Ausreisen durfte nur, wer seine Schulden gezahlt hatte und ohne Entschädigung auf eventuelle Gebäude und Land verzichtete; allein das bewegliche Vermögen durfte mitgenommen werden.
Als Russland nach der Niederlage Napoleon Bonapartes im Wiener Kongress (1815) den größten Teil des Herzogtums Warschau („Kongresspolen“) erhielt, schien für diese Menschen die Einladung Alexanders I. aus dem Jahr 1813 ein echtes Geschenk Gottes.

2 Johann Michael König war schon 1801 mit seinen Eltern Hans Michael König (*11.10.1754 in Bodelshausen, Württemberg; †24.9.1826 in Tarutino, Bessarabien) und Walburga Schaeffer, *1754 in Bodelshausen, Württemberg und seinen Geschwistern (Agnes *12.8.1784, Elisabetha *14.10.1787, Anna Maria *25.8.1789, Anna Barbara *13.1.1793, Johann Bernard *27.10.1794) in das zu Preußen gehörende Südpolen ausgewandert, wo sie am 23.5.1801 mit anderen Familien aus Sulzfeld/Baden bei Łódź die Kolonie Neu-Sulzfeld (heute: Nowosolna) gründeten.

3 Matthäus Stumm wanderte nach dem Tod seiner zweiten Frau Elisabeth Roupin (*11.2.1770 in Auingen) 1804 mit seinen 5 Kindern nach Neusulzfeld in Preußisch Polen aus. 3 Kinder (Andreas, *21.12.1783; Johann Georg, *2.1.1791; Maria Agnes, *27.8.1793) waren aus der 1. Ehe mit Maria Agnes Haag (* 1762 in Münsingen) und 2 Kinder (Jakob, *21.1.1801; Matthäus, *24.10.1802). Matthäus Stumm heiratete 1815 in Wittenberg Agathe Maier, mit der er 2 Kinder hatte: mein Urururgroßvater Ludwig, *1815 in Wittenberg; Johannes, *28.5.1817) Quelle: Black Sea German Research

4 Johannes Frey (*25. April 1760 in Hohenstaufen, Baden-Württemberg, †2. Dezember 1825 in Wittenberg, Bessarabien) zog 1800 mit seiner Frau Agathe Hehr (*21. Februar 1767, Baden-Württemberg, †30. September 1813 in Grömbach (Łaznowska Wola), Rokiciny, Tomaszowski, Łódź, Polen) und zwei Kindern Anna Dorothea (*26. Juli 1792 in Erzgrube, Seewald, Baden-Württemberg, †nach 30. Oktober 1855 in Beresina, Bessarabien) und Johann Michael (*3. März 1799 in Erzgrube, † in Wittenberg) ins damalige Preußisch Polen, wo sie mit anderen 53 schwäbischen Familien aus der Umgebung von Grömbach bei Freudenstadt die gleichnamige Kolonie Grömbach (heute: Łaznowska Wola) gründeten. Hier kamen weitere zwei Kinder auf die Welt: Eva Katharina (*1804 in Grömbach, †15. Januar 1876 in Alt-Posttal, Bessarabien) und Anna Maria (*17. März 1811 in Grömbach, †)
Hier kamen weitere zwei Kinder auf die Welt: Eva Katharina (*1804 in Grömbach, †15. Januar 1876 in Alt-Posttal, Bessarabien) und Anna Maria (*17. März 1811 in Grömbach, †).

5 Johann Michael kommt im Ortssippenbuch Kirchspiel Grömbach in zwei Haushalten vor. Wahrscheinlich kam er nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1798 zu seinem Ziehvater und Onkel Johann Michael (*7.6.1766).
Bei der Auflistung des Besitzes beim Tod des Onkels im Jahr 1815 erbt er nicht. Spätestens 1809 wandert er nach Grömbach (Laznówek, Lodz) in Preußisch Polen, wo er 1810 Anna Frey; Tochter des Johannes Frey, heiratete, die mit ihrem Vater schon 1800 nach Preußisch Polen auswanderte. Dort hatten sie mit anderen 53 Familien die gleichenamige Kolonie Grömbach (heute: Łaznowska Wola) gegründet.
1814 wanderte die Familie dann weiter nach Bessarabien, wo sie sich Mitbegründer der Mutterkolonie Wittenberg (Malojaroslawetz I., heute Maloyaroslavets' Pershyi) waren.
Der Name K(C)almbach ist ein Herkunftsname und deutet wahrscheinlich auf den Ortsnamen Calmbach (heute ein Ortsteil von Bad Wildbad) hin. Bewohner von dort könnten sich in Zumweiler (heute ein Ortsteil von Bad Altensteig), Wörnersberg und Grömbach in Baden-Württemberg niedergelassen haben. Zur Unterscheidung gleicher Vornamen wurde ihnen vielleicht in ihrer neuen Heimat der Herkunftsname (Calmbacher) als Familienname beigegeben.

6 Andreas Christian Grabau war mit seiner Frau Dorothea Simdorn (* in Brunn, Mecklenburg-Vorpommern) und seinen 3 Kindern (Martin Andrea, geb. 1792; Friedrich Ludwig, geb. 29.10.1794; Magdalena Sophia, geb. 1797) schon um die Jahrhundertwende nach Neuostpreußen ausgewandert, das seit der 3. polnischen Teilung (1795) zu Preußen gehörte.
Um das unterbevölkerte Neuostpreußen zu bevölkern und die mit meist schlechten, schwer zugänglichen Böden wie Moore, Brüche und Sandwälder trocken zu legen, warb König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ab 1798 Siedler außerhalb Preußens an.
Unter diesen neuen Siedlern war auch mein Ururururgroßvater, der Häcker Andreas Christian Grabau aus Mecklenburg-Vorpommern, der unter den Mitbegründern einer mecklenburgischen Sprachinsel war. Zur Huldigung des Königs von Preußen nannten sie ihre Kolonie Königshuld das heutige Paproć Duża. Am 12.10.1810 kam in Königshuld seine Tochter Frederika zur Welt.
Die eingewanderten lutherischen Kolonisten waren nicht immer mit ihrer Lage zufrieden. So auch mein Ururururgroßvater, der mit seiner Familie 240 km südwestlicher nach Neusulzfeld (Nowosolna) bei Łódź in Südpreußen zog, um dann 1814 unter der Führung von Bernhard Bohnet nach Borodino in Bessarabien zu wandern. 1833 lebten sie im Haus Nr. 100.

7 Johann(es) Höhn oder Hehn heiratete im Februar 1830 in Lysin Christine Schwandt. Am 20.1.1830, also noch vor seiner Heirat, kam in Preschniza, Polen sein erstes Kind (Elisabeth) zur Welt. Bei der Geburt ihres 2. Kindes (Andreas, geb. 16.2.1833) befand die Familie sich in Plotzk (Bessarabien). Später wanderten sie nach Alt-Arzis weiter, wo 2 Kinder (Johannes od. Johann, geb. am 20. Juli 1836; Michael, geb. am 23. März 1841) zur Welt kamen. Die Familie zog wieder nach Plotzk zurück, wo von 1845-1852 weitere 5 Kinder (Christina, geb. am 9.9.1843; Daniel, geb. am 18.10.1845; Emanuel, geb. am 14.1.1848; Martin, geb. am 11.11.1849; Sophia, geb. 5.8.1852) zur Welt kamen. 1858 befand die Familie sich in Brienne, wo das letzte Kind (Friedrich, geb. am 5.8.1858) zur Welt kam. 1861 zog die Familie, ca. 80 km ostwärts, in die erste Tochterkolonie Bessarabiens Eigenheim, wo Johann Höhn 1889 und seine Frau starben.