Nach dem Tod Zar Fjodors I. 1598 blieb der Thron unbesetzt, da er selbst keine Nachkommen hatte. Sein Bruder, Zarewitsch Dimitri, fiel bereits 1591 einem Mordanschlag zum Opfer, dessen genaue Umstände nie geklärt wurden.
Da Zar Fjodors I. Witwe Irina Godunow den Thron ablehnte, musste ein neuer Thronfolger gefunden werden. Damit begann in Russland die "Zeit der Wirren" (Smuta) und ließ Russland für nahezu ein Menschenalter als handelnden Faktor aus den politischen Überlegungen der europäischen Staaten ausscheiden.
Um einen Thronfolger zu bestimmen, wählten erstmals in der russischen Geschichte die Bojaren1 in einer Nationalversammlung (Semski Sobor2) den neuen Zaren. Die Wahl fiel nach langwierigen Verhandlungen auf den Bojaren Boris Godunow3 (*1552; †1605), der sich am 9. März 1598 umgehend krönen ließ.
In dieser Zeit stand die Zeremonie der Krönung besonders im Zeichen der Legitimierung der Herrschaft.
Während Zar Boris im Ausland als ein Zaren wie jeder andere betrachtet wurde, war er für die Moskauer kein richtiger Zar. Schließlich war er ein Emporkömmling, er hatte seine Karriere als „Diener des Zaren“ begonnen, war kein Abkömmling Ruriks und der erste von einer Volksversammlung gewählte Herrscher Russlands.
1 Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.
2 Die Semski Sobor waren städtische Landesvertretungen, Reichsversammlungen, die im Russland des 16. und 17. Jahrhunderts tagten. Der erste Semski Sobor trat im Jahr 1549 in der Regierungszeit von Iwan IV. zusammen; bei ihnen handelte es sich um Vertreter der geistlichen und der weltlichen Landesherren. Auf ihren Sitzungen wurden wichtige Fragen der Gesellschaft und des Staates beraten. Seit den 1560er Jahren nahmen an den Beratungen des Semski Sobor auch Angehörige des Unternehmer-, Kaufmanns-, und Handwerkerstandes teil.
3 Boris Godunow = war Berater Zar Iwans IV.; von 1584 bis 1598 Russlands Regent für den geistig zurückgebliebenen Zaren Fjodor I. Nach dem Tod Fjodors wurde er 1598 von der Reichsversammlung (Semski Sobor) zum Zaren gewählt. Er starb am 23. April 1605.