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Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk (1918)

Erich Ludendorff
Erich Ludendorff

Seit 1914 tobte in Europa der Erste Weltkrieg. Während die Front im Westen erstarrt war, sah die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) um General Erich Ludendorff im Osten eine günstige Gelegenheit, den Krieg doch noch zu gewinnen.

Nach der Oktoberrevolution drängte die bolschewistische Regierung unter Wladimir I. Lenin auf einen Friedensschluss, um die innere Stabilität Russlands zu erhalten. Für die Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich, Zarentum Bulgarien) bedeutete das eine Chance, den Krieg im Westen doch noch zu gewinnen.

Nach einem öffentlichen Friedensangebot am 28. November 1917 erklärte Reichskanzler Georg Graf von Hertling die deutsche Bereitschaft zu Friedensverhandlungen.

 

Waffenstillstandsverhandlungen in Brest-Litowsk
Waffenstillstandsverhandlungen in Brest-Litowsk
(rechts die russ. Delegation)

Am 3. Dezember begannen im russischen Brest-Litowsk, im Hauptquartier von Ober Ost1, die Gespräche über einen Waffenstillstand. Deutsche, öster-reichische und russische Unterhändler einigten sich darauf vom 7. Dezember an zehn Tage lang die Kämpfe an der Ostfront einzustellen.

Am 15. Dezember wurde der Waffenstillstand unterzeichnet, damit über einen Friedensvertrag verhandelt werden konnte2.

 

 

Richard von Kühlmann, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
Richard von Kühlmann,
Staatssekretär des Auswärtigen Amtes

Die offiziellen Friedensverhandlungen begannen am 8. Januar 1918 mit Richard von Kühlmann als deutschem und Leo D. Trotzki als russischem Delegationsleiter. Auf Druck der OHL forderte Kühlmann die Annexion und Kontrolle großer Teile der besetzten Gebiete, darunter Polen, das Baltikum und Kurland. Trotzki versuchte aber auf Zeit zu spielen, da er revolutionäre Unruhen bei den Mittel-mächten erhoffte. Die Verhandlungen über einen Friedensvertrag wurden am 20. Januar 1918 ergebnislos vertagt.

In der Zwischenzeit verhandelte Deutschland in Brest-Litowsk mit Vertretern der Ukrainischen Volks-republik3 über einen Sonderfrieden. Die Übereinkunft zwischen der deutschen und der ukrainischen Delegation sah als Gegenleistung für die Anerkennung der Unabhängigkeit große Getreidelie-ferungen aus der Ukraine an das Deutsche Reich vor. Dieser "Brotfriede” wurde am 9. Februar unterzeichnet und erhöhte den Druck auf die Bolschewiken. Einen Tag später erklärte der russische Delegationsleiter Leo D. Trotzki mit den Worten "weder Krieg noch Frieden" das offizielle Ende der Kriegsteilnahme Russlands und brach die Friedensverhandlungen ohne Beschluss ab.

Verwüstungen

Die OHL befahl daraufhin am 19. Februar den weiteren militärischen Vormarsch im Osten (Operation Faustschlag).

Kurz darauf kapitulierte die russische Regierung und akzeptierte die deutschen Forderungen, da sie den Frieden benötigte, um im Innern das Sowjetsystem durchzusetzen und die zaristische Gegenrevolution niederzuwerfen. Am 3. März 1918 wurde der “Diktatfrieden von Brest-Litowsk“ zwischen Sowjetrussland und den Mittelmächten unterzeichnet.

 

Friedensvertrag von Brest-Litowsk
Friedensvertrag von Brest-Litowsk

Während sich die Reichsleitung und die OHL in den Friedensver-handlungen wiederholt mit der Frage der Rückführung von Kriegs-gefangenen und Zivilinternierten befasste, schien die Frage der deutschen Kolonisten in Russland im Anfangsstadium der Friedensver-handlungen unter den Tisch gefallen zu sein, wie das aus den Artikeln 6 und 8 der Friedensverträge mit der Ukraine vom 9. Februar 1918 und mit Russland vom 3. März 1918 hervorgeht:

„Die beiderseitigen Kriegsgefangenen4 werden in ihre Heimat entlassen...... der Austausch der Kriegsgefangenen und der Zivilinternierten …... werden in Einzelverträgen mit Rußland geregelt ….“

Erst in einer 2. Phase behandelten die deutsche und die russische Rechtskommissionen die Frage der Fürsorge für Rückwanderer. Nach langwierigen Verhandlungen kam es mit der Ukraine und mit Sowjetrussland zu einem Zusatzvertrag des Friedensvertrages von Brest-Litowsk, der am 27. August 1918 in Berlin unterzeichnet wurde. In den Artikeln (mit Russland: 6. Kapitel, Artikel 21 und 22; mit Ukraine: 6. Kapitel, Artikel 18 und 19) wurde festgelegt, dass allen Kolonisten, die ursprünglich aus dem Gebiet Deutschland stammten, die Möglichkeit gegeben wurde, binnen zehn Jahre nach der Ratifikation des Friedensvertrages in ihr Stammland zurückzuwandern.

„Über die Zukunft der deutschen Bauern-Kolonien auf dem Territorium des früheren russischen Reiches haben die im Osten abgeschlossenen Friedensverträge zum Teil die Entscheidung getroffen. Darnach soll eine planmäßige Rückwanderung dieser deutschen Bauern nach Deutschland eingeleitet und gefördert werden und die Kolonisten die Möglichkeit erhalten, Schutz und Beistand des Deutschen Reiches zu genießen für die Übergangszeit von 10 Jahren..."

PA AA, R 10591, A 24064: Adolf Lane: Deutsche Bauernkolonien in Russland, vom 6. Juni 1918;
Ufficiali tedeschi accolgono la delegazione sovietica con Trotsky alla stazione di Brest-Litovsk
Ufficiali tedeschi accolgono la delegazione sovietica
con Trotsky alla stazione di Brest-Litovsk

Artikel 22 des Zusatzvertrages mit Russland unterscheidet sich allerdings von dem ent-sprechenden Artikel 19 des Zusatzvertrages mit der Ukraine durch zwei Hinzufügungen, die den Unterschied der Beziehungen deutlich werden lassen. Während der ukrainische Zusatzvertrag den Rückwanderern zusicherte durch die Ausübung des Rück-wanderungsrechts keine ver-mögensrechtlichen Nachteile er-leiden zu müssen, wurde im entsprechenden Satz des Zusatz-vertrages mit Russland der Grund der Rückwanderung und die wichtigste vermögensrechtliche Forderung direkt angesprochen:

„Die Rückwanderer sollen für die während des Krieges wegen ihrer Abstammung zugefügten Unbilden eine billige Entschädigung erhalten, auch durch die Ausübung des Rückwanderungsrechts keinerlei vermögensrechtliche Nachteile erleiden….“

Th. Niemeyer, K. Strupp: Jahrbuch des Völkerrechts, 8. Band: Die Friedensschlüsse 1918-1921, Verlag von Duncker und Humblot, München und Leipzig, 1922, S.40

Die Bestimmungen dieser zwei Artikel sollten also die Grundlage für den Schutz der deutschen Kolonisten in Russland durch das Deutsche Reich und für deren Rückwanderung nach Deutschland bilden.

mehr zu den Siedlungsplänen ..... mehr zur Kolonistenfrage

 

 

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Anmerkungen

1 Ober Ost ist die Kurzbezeichnung für das Gebiet des Oberbefehlshabers der gesamten deutschen Streitkräfte im Osten während des Ersten Weltkrieges. Das Gebiet des Oberbefehlshabers erstreckte sich über Kurland, das Gebiet des heutigen Litauens, einige, damals noch überwiegend litauische, jetzt polnische Distrikte wie Augustow und Suwalki und die westlichen Distrikte Weißrusslands.

2 Im Gesamtverlauf der Verhandlungen von Brest-Litowsk spielte die bulgarische und türkische Delegation eine untergeordnete Bedeutung.
Die Verhandlungen umfassten drei Hauptphasen. In der ersten (vom 22. bis 28. Dezember) gaben die beiderseitigen Delegationen durch allgemeine Erklärungen und Gegenerklärungen ihre grundsätzlichen Absichten in mehr oder minder verschleierter Form bekannt. Es schien, als ob beide Partner in absehbarer Zeit zu einer Verständigung gelangen würden. In die zweite Phase (vom 8. Januar bis zum 10. Februar 1918) fällt der Hauptanteil der insgesamt etwa 70 Sitzungen zählenden Verhandlungen. In ihr trafen die nun deutlicher zum Ausdruck kommenden Zielsetzungen der zwei Seiten hart aufeinander. Sie enthüllte zugleich den tiefgreifenden, praktisch unüberbrückbaren 'weltanschaulichen' Gegensatz zwischen den beiden Parteien. Die dritte Phase (vom 1. bis 3. März 1918), in der nicht eigentlich mehr 'verhandelt' wurde, endete mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages mit Russland. Am 9. Februar war es schon zu einem Sonderfrieden zwischen der sozialistischen Kiewer Rada auf der einen, Deutschland und Österreich-Ungarn auf der anderen Seite gekommen.

3 Als in Russland 1917 die Februarrevolution ausbrach, versuchten die Ukrainer ihren eigenen Staat zu errichten. Im 3. Universal (eine Art Staatsdekret) vom 20. November 1917 proklamierte der Ukrainische Zentralrat (Zentralrada) in Kiew eine selbständige „Ukrainische Volksrepublik" ohne Loslösung von Russland und im 4. Universal vom 25. Januar 1918 verkündete der Zentralrat die Unabhängigkeit der Ukrainischen Volkskrepublik.

4 Zu Beginn des Jahres 1918 befanden sich in Russland etwa 100.000 deutsche Kriegsgefangene in Kriegsgefangenenlagern.