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Die Auswanderung der Deutschen ins Schwarzmeergebiet
(Teil 1 von 2)
Einladungsmanifest
Obwohl es damals gar nicht leicht war auszuwandern, löste Katharina II. mit ihrem Einladungsmanifest eine Massen-auswanderung aus.
Der 1. große Ansiedlungsstrom begann 1763 nach dem Manifest Katharinas II. Zwischen 1763 und 1774 zogen 30.623 Kolonisten vorwiegend aus den süd- und südwestlichen deutschen Kleinstaaten (Nordbayern, Baden, Pfalz und Hessen) sowie aus der Schweiz und dem Elsass1 über Lübeck oder Hamburg in das Russische Reich. Den Deutschen schlossen sich vielfach aber auch Holländer und Italiener an.
Die Kolonisten sammelten sich 1765-67 vor den Toren Lübecks. Monatelange Wartezeiten mussten in Kauf genommen werden, bis Segelschiffe die Menschen über die Ostsee brachten und man sie im Siedlungslager Oranienbaum (heute: Lomonossow) gegenüber dem russischen Inselhafen Kronstadt in Gruppen einteilte, wo sie dann konkrete Siedlungsverträge mit Rechten und Pflichten abschlossen.
Der Auswanderungsweg der deutschen Siedler ins Wolgagebiet
Unter den Neuankömmlingen befand sich eine Gruppe von Kurpfälzern, die gerade fünf Jahre lang im Auftrag des dänischen Königs Heide und Moor in Jütland und Holstein zu kultivieren versucht hatten, aber an den ungünstigen Bedingungen gescheitert waren.
Jetzt stand ihnen tiefgründiger, unerschöpflicher Boden, wie ihn die Werber ausmalten, in unbegrenzter Fülle und Qualität vor Augen.
Rund 90 % der ersten Kolonisten sollten das brachliegende Land an der Wolga südöstlich von Moskau bei Saratow urbar machen. Hohe Zugeständnisse und Versprechen in Russland, Hunger und Armut in deutschen Ländern veranlassten tausende Familien auszuwandern. Der größte Teil der deutschen Siedler kam vorwiegend aus Hessen und den südwestlichen deutschen Ländern. (Wolgadeutsche)
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Die Missionskolonie Sarepta
1765 wurde die Missionskolonie Sarepta im Wolgadelta in der Nähe von Zaryzin (Wolgograd, Stalingrad) von der Herrnhuter Brüderge-meine2 gegründet. Ihr Ziel die Kalmücken3 zu bekehren, blieb ohne Erfolg. Die Herrnhuter Brüder errichteten in Sarepta eine pietistische4 Mustersiedlung. Die Anlage mit Schutzwall und Wasserleitung für alle Häuser galt als Beispiel der Gestaltung von Siedlungen.
Um 1900 lebten hier etwa 2.000 Deutsche. Da jedoch bereits während der Zarenzeit eine verstärkte Besiedlung durch andere ethnische Gruppen begann, entwickelte sich Sarepta immer mehr zu einer russischen Kleinstadt und wurde nach 1917 in Krassnoarmeisk umbenannt. Das ursprüngliche Sarepta ist heute in die Großstadt Wolgograd eingemeindet.
Ingermanland
Auf dem Land der Zarin in der ehemaligen schwedischen Provinz Ingermanland, in der Nähe von St. Petersburg, wurden 1765/66 drei deutsche Kolonien: Neu-Saratowskaja (im staatseigenen Gebiet an der Newa gegenüber der „Rybnaia Sloboda“), Srednerogatskaja und Ischorskaia (im Gebiet von Zarskoselsk) gegründet. Die Bevölkerung dieser Kolonien, die aus 110 Familien bestand, kamen aus Brandenburg, Württemberg, Schwaben und Hessen-Darmstadt und sollten als Mustebeispiel "für sauberes Wohnen und ordentliche Landwirtschaft" dienen. Sie hatten sich freiwillig von den übrigen Immigranten im Siedlungslager Oranienbaum aussondern lassen.
Im alltäglichen Leben wurden die drei Kolonien nach der Anzahl der in ihnen lebenden Familien „Sechziger Kolonie“, „Zweiundzwanziger Kolonie“ und „Achtundzwanziger Kolonie“ genannt.
Die Hirschenhöfer
Rund 300 Seelen kamen 1766 nach Livland auf das Gut Hirschenhof (auf lettisch: Iršu muiža). Es wurde auf Weisung der rus-sischen Zarin Katha-rina II. gegründet, um die fast wüst ge-wordenen Ländereien wieder zu besiedeln.
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Im Februar 1915, während des 1. Weltkrieges, wurde die Evakuierung der deutschen Siedler des Gouvernement Livland befohlen, da die deutsche Armee weiter vorrückte. Von dieser Maßnahme wurde die Kolonie Hirschenhof bei Kokenhusen betroffen.
85 deutsche Bauern wurden mit ihren Familien nach Ostrussland, ins Gouvernement Perm, evakuiert (deportiert). Einige Familien wurden bei Moskau angesiedelt.
Jamburg
1767 wurden drei wei-tere Kolonien (Luzkaja, Porchower Kolonie, Frankfurter Kolonie) an der Luga bei Jamburg (heute Kingisepp) im russischen Verwal-tungsbezirk St. Peters-burg gegründet.
Die 67 katholischen Kolonistenfamilien stammten größtenteils aus der Pfalz.
Durch einen Ukas vom 17. August 1793 erhielten 45 Familien (273 Kolonisten) von den dort lebenden 81 Familien gestattet, den Jamburgischen Kreis zu verlassen und ins Gouvernement Jekaterinoslaw zu ziehen, wo sie wahrscheinlich am rechten Dneprufer die Kolonie Jamburg gründeten.
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Unterelsass
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1798 – 1871 war die Region Elsass Teil von Frankreich.
In den Jahren 1803 – 1817 gab es drei Auswanderungswellen von Elsässern
nach Südrussland. Die meisten kamen aus den Kreisen Weißenburg
(Wissembourg), Hagenau (Haguenau) und Zabern (Saverne) im Unterelsass.
Diese Gebiete hatten in den Jahren der Französischen
Revolution wirtschaftlich am meisten zu leiden. In dieser Zeit verließen
etwa 40.000 Menschen ihre Heimat und zogen über den Rhein in deutsche
Lande. Erst 1798 durften sie in das Elsass zurück, waren aber land-
und mittellos geworden. Immer mit der Hoffnung auf eigenes Land suchten
viele elsässische Bauern einen Neuanfang in Russland.
Die erste Auswanderungswelle setzte mit dem Manifest
Alexanders I. ein. Bereits 1803/04 zogen viele Familien in die Gebiete bei
Odessa und wurden in den Liebentaler
Kolonien bzw. auf der Krim angesiedelt.
Die 2. und größte Auswanderungswelle folgte in den Jahren 1808/09.
Diese Gruppe gründete zusammen mit Kolonisten aus der Südpfalz und
dem Herzogtum Baden die katholischen Kolonien am Kutschurgan und
im Beresaner Gebiet.
Nach dem Sturz Napoleons und der Invasion des Elsass folgte im Jahr 1817 die
3. Welle. 25 Familien aus dem Elsass wanderten nach Russland aus. Soziale Missstände
und die katastrophale materielle Lage der meisten Bauernwirtschaften (Missernten
in den Jahren 1815-1817) zwangen viele Menschen zur Auswanderung.
2 Herrnhüter Brüdergemeinde = aus dem Pietismus und der böhmischen Reformation herkommende christliche Glaubensbewegung innerhalb der protestantischen Kirche
3 Kalmücken = westmongolisches Volk, die v. a. in Kalmükien, aber auch in den Gebieten Astrachan, Wolgograd, Rostow am Don, Orenburg sowie in der Region Stawropol in Russland leben. Die Kalmüken wanderten im 17. Jahrhundert über den Ural an die untere Wolga.
4 Pietismus = Bewegung innerhalb des Protestantismus, die im 17. Jahrhundert ihren Anfang hatte. Das Ziel des Pietismus war die geistliche Erneuerung der Kirche.