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Immanuel Winkler1
Der Sprecher der Schwarzmeerdeutschen
(Ein besonderer Dank für die Realisierung dieses Artikels geht an
S. Winkler und J. Rzadkowski)
Immanuel Winkler (* 3. Juni 1886 in Sarata; †18. Juni 1932 in Winnipeg/Kanada), erstes von dreizehn Kindern, getauft auf den Namen Adolf Immanuel Mathäus, war Pastor in Hoffnungstal2 von 1911 bis 1918 und Vikar in Kassel3 im Bezirk Glückstal bei Odessa.
Er veröffentlichte 1918 und 1919 zwei Kalender für die Kolonisten in Russland4 und Ende des 1. Weltkrieges engagierte er sich politisch für die Interessen der Schwarzmeerdeutschen.
Immanuels Eltern, bessarabiendeutsche Bauern, waren Matthäus Winkler und Elisabeth Katharina, geb. Schwarzmann.
Ignaz Lindl
Seine pietistisch orientierten Urgroß-eltern5 aus den König-reichen Württemberg und Bayern waren Anhänger des charismatischen katholischen Pfarrers Ignaz Lindl (Verfechter der Allgäuer Erweckungsbewegung), dem sie 1821/1822 nach Russland folgten, um dort mit ihm eine "wahrhaft christlich-apostolischen Gemeine Gottes" nach Art der Herrnhuter Brüdergemeine6 in Bessarabien zu gründen.
Von 1892 besuchte Immanuel die "Alte Volksschule" in Sarata, von 1899 bis 1902 die Wernerschule in Sarata, dann bis 1904 das Gymnasium in Nowgorod, von 1904 bis 1909 studierte er Theologie an der Kaiserlichen Universität Jurjew in Dorpat, wo eine erweckliche lutherische Theologie gepflegt wurde. Am 6. November 1911 ordinierte Immanuel in Hoffnungstal, wo er bis 1918 Pastor war. Zur selben Zeit war Immanuel Vikar in Kassel.
Hoffnungstal und Kassel in der Ukraine
Sergey Iwanowitsch Svetoslavsky: chutor
Zu seinem Kirchspiel gehörten 19 deutsche Gemeinden und 8 Chutors. Zu ihnen gehörten Freiberg (Kakarlyk, Kagarlvk), Grekowo (Grekowa, Grekovo), Groß-Fontal (Fonthal Fontal, Fontan), Hoffnungsfeld (Tarasowa, Torosowo), Hoffnungstal (Zebrikovo, Torosova/Lenino), Klein Hoffnungstal (Maloje Zebrikowa, Schepsa Chutor), Malikhonovo (Malichonowo, Malikhonovo), Nesselrode (Kujalnik, Kuyalnik, Kujalkin), Neu Beresina (Malaja Siminowo), Neu Berlin (Worobeyeva/Worobyewa), Neu Glückstal (Zibulyevka/Zibuljewka), Schäfer, Schönfeld (Schöndorf, Makarowo), Seebach (Luntscha, Post Birsula), Sherebrovo (Scherebkowo, Scherebrowka), Shirozevo (Schirayewa, Schirajewo), Chutor Irenovka (Irenenfeld), Chutor Ishitskoye (Ishizkoje), Chutor Mardarovka (Mardarowka), Chutor Metzker, Chutor Nehof (Neuhof,Witaschewsjoje), Chutor Otrada (Solotschewsk), Chutor Rath (Sekretarowka), Eigenfeld (Sachanskoje, Wolkowo).
Kirchspiel Hoffnungstal
Kirche in Hoffnungstal, erbaut 1840/42
Der Pastor wurde von der Gemeinde ausgewählt und vom Pfarrbezirk bestätigt. Er musste ein Mann mit tadellosem Moral-verhalten und Führungsqualitäten sein und das absolute Vertrauen der Gemeinde haben. Er predigte in Deutsch und hielt 36-mal im Jahr Gottesdienst in Hoffnungstal, 15-mal in Hoffnungsfeld, 12-mal in Eigenfeld, je 4-mal in Seebach, Nesselrode, Maka-rowka, Neu Beresina und Neu Glückstal und je 2-mal in Groß Fontal, Schirjewo, Otrada und Irenowka. In Abwesenheit des Pastors hielten alle Gemeinden Lesegottes-dienste7.
Der Pastor hatte freies Wohnen, hatte ein jährliches Einkommen von 1.000 Rubel und 200 Rubel für Brennholz. Zusätzlich erhielt der Pastor für eine Taufe 40 Kopeken, für eine Konfirmation, Hochzeit oder Beerdigung 1 Rubel.
Als Pastor Winkler 1910 nach Hoffnungstal kam, sah er seine Hauptaufgabe in der Gründung der Zentralschule8. Spenden wurden sofort dafür mit gutem Erfolg gesammelt und bald ein großes Schulgebäude errichtet, so dass noch im selben Jahr die Schule eröffnet werden konnte. 1912 unterrichteten sechs Lehrer 283 Schüler von verschiedenen Gemeinden9.
1 Alle Informationen über Immanuel Winkler sind aus dem Web oder aus gemeinfreien Texten.
2 Hoffnungstal (ukrainisch: Цебрикове/Zebrykowe; russisch: Цебриково/Zebrikowo) wurde 1819 von 64 Familien aus Württemberg (aus den Oberämtern Waiblingen, Backnang, Marbach, Kirchheim, Esslingen gegründet. Es waren Chiliasten, die im Mai und Juni 1817 von Ulm abreisten, und nach Monaten in Odessa ankamen. Sie wollten an den Bergungsort im Südkaukasus, in der Nähe des Berges Ararat. Hunderte der Auswanderer waren während der Quarantäne in Ismajil durch tödliche Krankheiten hingerafft worden und noch viele unterlagen nach ihrer Ankunft in Odessa einer Epidemie, sodass von vielen Familien nur einzelne Witwen und Waisen, von manchen aber auch gar keine Familienmitglieder übrig blieben. Aufgrund der unsicheren Lage im Kaukasus wollten die russischen Behörden die zukünftigen Kolonisten nicht weiterziehen lassen, so dass 300 Familien den Entschluss fassten, sich bei Odessa niederzulassen. 64 Familien erhielten 90 Kilometer nordwestlich von Odessa in dem kleinen Dorf Zebrik im Tal des Maly Kujaknikim im Gebiet Glückstal Land zur Besiedlung des zuvor von bulgarischen Kolonisten errichteten und unvollendeten Ortes. In einer allgemeinen Versammlung beschloss man 1819 der neuen Mutterkolonie den Namen Hoffnungsthal/Hoffnungstal zu geben, im Hinblick auf die bei der Auswanderung gehegten Hoffnungen einer glücklichen Zukunft.
3 Kassel (heute Welykokomariwka/Великокомарівка) liegt etwa 50 km im Nordwesten von Odessa. Die Gründerfamilien kamen aus Württemberg (6), Baden (12), dem Elsass (60), aus Polen (12) und aus der Pfalz (9.). Ihren Namen bekam die Kolonie nach der Heimatstadt eines der Kolonisten.
4 Immanuel Winkler veröffentlichte zwei Hauskalender:
- Kalender für die deutschen Kolonisten in Russland: auf das Jahr: 1918, Petrograd, 1917
-Hauskalender für die deutschen Kolonisten in Rußland, Stuttgart, 1918;
5 Immanuels Urgroßeltern mütterlicherseits waren Joseph Schwarzmann (*1780) und Magdalena (Nachname unbekannt) aus Gundremmingen in Bayern. Joseph, Kolonnenführer der ersten bayrischen Auswanderungsgruppe, trat mit seiner Frau und sieben Kindern (davon eine Stieftochter) gemäß der Weisung des königlichen Landgerichts Dillingen vom 28. Juli 1821 am 31. Juli die Ausreise auf dem Landweg an. Sie kamen am 24. September in Odessa an und wurden bis zur Gründung von Sarata (Frühjahr 1822) in den schon bestehenden Kolonien bei Odessa untergebracht.
Immanuels Urgroßeltern väterlicherseits waren Matthias Winkler (*6. Juni 1784) und Barbara Hoffin (*18. Juni 1797) aus Niederstotzingen in Württemberg, die im Sommer oder Herbst 1822 mit 6 Kindern (3 waren Barbaras Stiefkinder) in Sarata eintrafen. Für den ersten Winter wurden sie in den Häusern der ersten Einwanderer untergebracht.
6 Ernst Staehelin: Die Christentumsgesellschaft in der Zeit von der Erweckung bis zur Gegenwart. Texte aus Briefen, Protokollen und Publikationen (Theologische Zeitschrift/Sonderband 4, Reinhardt, Basel 1974, S. 384f.;
7 Joseph S. Height: Homesteaders on the Steppe, Germans from Russia Heritage Society, Bismarck North Dakota, 1987, S. 365 ff.
8 Zentralschule (Mittelpunktschule) = zentrale schulische Einrichtung, die von Schülern verschiedener Gemeinden gemeinsam besucht wird.
9 aus: Dr. Georg Leibbrandt : Hoffnungstal und seine Schwaben, S. 80-81