Auch der Nachfolger Iwans III., sein Sohn Wassili III. (1505-1533) bemühte sich um die Expansion Russlands nach Westen. Russland sollte an den technischen und zivilisatorischen Errungenschaften Europas teilhaben.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der Moskauer Staat selbst den gebildetsten Europäern völlig unbekannt, was um so mehr für die Gebiete jenseits des Urals galt, die erst mit der Eroberung von Kazan 1552 langsam ins Russische Reich integriert wurden.
Da bis zum 18. Jahrhundert kein geschriebenes Werk erschien, in dem die Russen selbst über das Land berichteten, konnte die Neugierde bezüglich des fernen Moskauer Staates nur durch Berichte von Reisenden gestillt werden, von denen es nicht allzu viele gab.
So wurde die 1549 erschienene Reisebeschreibung des österreichischen Diplomaten Sigmund von Herbersteins1 (1486-1566) als Sensation empfunden und von der europäischen Leserschaft begeistert aufgenommen. Herberstein schrieb ausführlich über das, was er gesehen und das, was er durch Nachfragen und Nachlesen in Erfahrung gebracht hatte.
So berichtet er, dass das orthodoxe Russland zu jener Zeit noch ein halb barbarisches Land war. Wirtschaftlich und politisch lag es weit hinter den dynastischen Staaten des lateinischen Europas, das sich Russland gegenüber kulturell überlegen fühlte und sich als Inbegriff der Zivilisation verstand.
Die wenigen westlichen Beobachter und Reisenden hielten das Zarenreich für eine asiatische Despotie. Für sie galten die Traditionen des Ständestaates und eines mit Freiheiten und Privilegien ausgestatteten Adels. Die scheinbar nahezu unbegrenzte Selbstherrschaft des Zaren, die keinen Gesetzen unterworfen waren und die vermeintlich barbarisch-sklavische und ungelehrt-unwissende Natur ihrerer Untertanen gab den Westeuropäern deshalb Anlass zu heftiger Kritik.
Unter Wassili nahm die Gesamtzahl der in den Dienst Moskaus tretenden Ausländer bedeutend zu. Es entstand eine neue Klasse ausländischer Dienstleute: Soldaten, aus denen ganze Abteilungen gebildet wurden. Nach den Worten eines Zeitgenossen bestand ein Moskauer Regiment mit der Stärke von 1.500 Mann fast völlig aus Ausländern. Sie wurden in den Kriegszügen gegen die Tataren eingesetzt (Moskau-Kasan-Kriege: 1524, 1530).
Seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts bestand erstmals eine Ausländervorstadt vor den Toren Moskaus, in der Deutsche gemeinsam mit Polen und Litauern lebten. Neben einzelnen am Hof angestellten Fachleuten waren dies vor allem Söldner. Es wurden vorwiegend deutsche Waffenschmiede und Handwerker gebraucht. Deutsche Minenleger wurden bei der Bekämpfung der Tataren gebraucht.
Zerstört wurde diese Vorstadt 1571 bei einem Angriff der Krimtataren unter Devlet I. Giray.
Der Grund dafür, dass man die Ausländer von der russischen Bevölkerung trennte, ist weniger in ihrer fremden Herkunft als vielmehr in ihrer Religions-zugehörigkeit zu sehen. Die orthodoxe Kirche forderte eine "Quarantäne der Andersgläubigen", deren "verderblicher Einfluss" auf die einheimische Bevölkerung sie zu verhindern versuchte. Ausländer galten damals als Nicht-Rechtgläubige, mit denen gläubige Orthodoxen nur unter strengen Sicherheitsmaßnahmen Kontakt haben durften.
Bis zum Tod Wassilis im Jahr 1533 vergrößerte sich das Moskauer Staatsterritorium um das Sechsfache. Wassili starb am 3. Dezember 1533 an Sepsis verursacht durch einen Abszess am linken Oberschenkel. Ihm folgte sein minderjähriger Sohn Iwan IV. auf den Thron.
1 Siegmund Freiherr von Herberstein (* 24. August 1486 in Wippach; † 28. März 1566 in Wien) war ausgezeichneter österreichischer Staatsmann und Geschichtschreiber. Nach seinem Studium der Rechte in Wien wurde Herberstein in der Finanzverwaltung sowie insbesondere im diplomatischen Dienst der Habsburger tätig.Von den Kaisern Maximilian I., Karl V., und Ferdinand I. wurde er zu insgesamt 69 diplomatischen Missionen beauftragt, von denen ihn zwei in den Moskauer Staat zum Großfürsten Wassili III. führten. Seine erste Reise im Jahr 1517 hatte das Ziel, einen Waffenstillstand zwischen Polen-Litauen und dem Moskauer Staat zu vermitteln. Maximilian I. zeigte sich beeindruckt von den Kenntnissen, die Herberstein sich über das Russische Reich verschafft hatte und beauftragte ihn bei einer weiteren Reise im Jahr 1526 Informationen über Moskowien und vor allem über die dortigen religiösen Verhältnisse zu sammeln. Herberstein fand sich nach eigener Aussage im Moskauer Staat gut zurecht, da er slowenisch sprach. Als hochrangiger Diplomat war er beim Sammeln seines Materials in Russland kaum behindert worden.
Als "Osteuropaexperte" publizierte Herberstein 1549 in Wien seine gesammelten Eindrücke in lateinischer Erstausgabe unter dem Titel "Rerum moscoviticarum commentarii", eine Reisebeschreibung, die ihn zum Begründer der Russlandkunde machte. Eine italienische Bearbeitung unter dem Titel Comentari della Moscovia et parimente della Russia et delle altre cose belle et notabile erschien 1550 in Venedig. Herberstein selber schrieb eine erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache, die 1557 unter dem Titel Moscovia der Hauptstat in Reissen in Wien erschien. Herbersteins Werk war der erste bedeutende Bericht aus der Feder eines Westeuropäers über das im Abendland seit Generationen nur am Rande zur Kenntnis genommenen Russland. Die von 1238/40 bis 1480 dauernde Mongolenherrschaft hatte den Moskowien aus dem Blickfeld der meisten Mitteleuropäer gerückt.
Neben den detaillierten Schilderungen der Verhältnisse am russischen Hof sind seine Feststellungen über Kulturkontakte zwischen Russland und dem Westen, die zu seiner Zeit besonders mit Italien bestanden und durch das Wirken italienischer Renaissance-Baumeister, die den russischen Kirchenbau geprägt hatten.
Das Werk Herbersteins blieb aktuell und wurde später auch innerhalb Russlands derart geschätzt, dass Katharina II. es 1795 erneut in deutscher Übersetzung drucken ließ.
2 Adam Olearius (*1599 in Aschersleben † 1671 Schloss Gottorf/Schleswig) war Gelehrter und Handelsdiplomat. Nach seinem Studium der Theologie, Philosophie und Mathematik in Leipzig gelangte der junge Gelehrte 1633 an den Hof des Herzogs Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf. Der Herzog, der eine wirtschaftliche Anbindung Norddeutschlands mit Persien und Russland plante, stattete eine Gesandtschaft aus, die am 6. November 1633 in Hamburg abfuhr. Das erste Ziel dieser Delegation war Moskau, wo sie mit Zar Michael I. ein Handelsabkommen abschließen wollte. Da der Zar aber äußerst unrealistische Vorstellungen darüber hatte, scheiterte die Gesandtschaft in ihrem eigentlichem Auftrag.
Über seine Reise berichtete Adam Ölschläger, wie Olearius er eigentlich hieß, in Moskowitische und persische Reise: die holsteinische Gesandtschaft 1633-1639, die 1647 erstmals in Deutsch erschien. Nach Herbersteins Reisebeschreibungen war dies der bedeutendste Bericht über Russland.