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Auswanderungsverbote in deutschen Ländern
im 18. Jahrhundert

 

Auswanderung
Auswanderer

Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden Klagen über die zunehmende Auswanderung.
Ursachen waren die wirtschaftlichen Bedingungen der Nachwirkungen des 30-jährigen Krieges (1618-
1648), einer der verheerendsten Kriege in der europäischen Geschichte, Überbevölkerung, Missernten und religiöse Bedingungen.

Das Ziel war ab 1709 über England die britischen „Inseln1Pennsylvania, Carolina und New York zu erreichen. Man hielt damals noch allgemein Amerika für verschiedene Inseln, hinter denen das gesuchte Indien liegen sollte.

Ab 1712 richteten sich die Auswanderungen nach Osten, nach Sathmar und Carei, ab 1722 in die Schwäbische Türkei und das Banat im damaligen zu Österreich gehörenden Königreich Ungarn.

Die Schwäbische Türkei, Banat, Sathmar und Carei in Mitteleuropa um 1740
Die Schwäbische Türkei, Banat, Sathmar und Carei in Mitteleuropa um 1740

Das Echo auf die Werbung zur Auswanderung war so groß, dass einige deutsche absolutistiche Kleinstaatenherrscher sich dazu gezwungen sahen, territoriale Auswanderungsverbote2 zu erlassen, da sie einen größeren Exodus befürchteten und die somit verbundene Entvölkerung zu einem empfindlichen Ausfall des fürstlichen Einkommens befürchteten.

Die 10 Reichskreise mitte des 16. Jahrhunderts

Zwar hörte 1754 mit dem Kriegsausbruch in den nordamerikanischen Kolonien die Auswanderung über den Atlantik auf, die Sorge um eine Entvölkerung blieb aber bei den Regierungen der deutschen Staaten bestehen, denn der Blick sollte sich ab 1763 nach Osten, nach Russland, wenden.

Dies geschah vor dem Hintergrund von Kolonistenwerbungen und Soldatenrekrutierungskampagnen verschiedener Staaten, obwohl der Augsburger Religionsfrieden von 1555 (§. 24) wie der Westfälischer Friede von 1648 (Artikel V., §§. 36, 37, 39) überall im Reich den 'ius emigrandi', d.h. aus Religionsgründen „das Recht des freien Abzugs und Verkaufs der Güter gegen billigen Abtrag der Leibeigenschaft und Nachsteuer“ garantierten.

(aus: Joseph von Hazzi: Ueber Auswandern und Fremde; Ein Beytrag zur Gesetzgebung, Gebrüder Mallinckrodt, Dortmund und Leipzig, 1812, S. 11 ff.
Tübinger Vertrag
Tübinger Vertrag

Nur im Herzogtum Wirtemberg galt seit dem Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 der ''freye Zug'' (in der Praxis vielfältigen Einschränkungen unterworfen), der bis zum 29. Mai/1. Juni 1807 Gültigkeit haben sollte.

Auch gaben die meisten Staaten darüber hinaus in Einzelfällen ihr Einverständniss zum Ausscheiden aus dem Untertanenverband, falls Nachsteuer (Abzug3) und, gegebenenfalls, Manumissionsgebühren entrichtet worden waren.
Generell jedoch teilten die Fürsten des Absolutismus den Standpunkt von Herzog Karl Eugen von Wirtemberg, dass es dem Herrscher „niemals gleichgültig sein kann, Wann der Staat Leute verliert“.

(aus: Herzogliche Resolution vom 3.9.1781 in: Wolfgang von Hippel: Auswanderung aus Südwestdeutschland, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 1984, S. 106.)

Manches Staatsoberhaupt verband sogar das staatswirtschaftliche Ziel der Bevölkerungsbewegung mit dem Aussenden von Werbern, deren Bemühungen andernorts natürlich zur Bevölkerungsminderung beitrugen.

In einem dem Herzog von Württemberg vorgelegten Gutachten gaben Experten zu bedenken, das Land sei, gemessen an seinen Ressourcen, überbevölkert. Auch hätten die bisherigen Auswanderungen erwiesen, dass der Staat „nur von einer Anzahl wolentbehrlicher Leute befreit, nie aber in seinem innern Vermögen geschwächt worden sei“.

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Anmerkungen

1 Quelle: Julius Goebel: Briefe deutscher Auswanderer aus dem Jahr 1709, S. 3.

2 Territoriale Auswanderungsverbote = zu nennen sind: das Kurpälzische Verbot der Auswanderung nach Amerika vom April 1709;
Verbot des Fürstbischofs von Speyer der Auswanderung nach Amerika vom 17. Juni 1709;
pfalz-zweibückisches Verbot „gegen das schädliche Emigrieren der Untertanen in fremde Colonien“ vom 2. Oktober 1761;
fürstlich-speyerische Verordnung vom 10. Januar 1764 da die „Lust nach den königlichen französischen Colonien überhand genommen, …. ist veranlasst worden, keinen dergleichen emigriren wollenden Unterthanen mehr die Erlaubniß zu ertheilen“;
kurpfälzischer Befehl vom 28. April 1766 „vieler … Unterthanen in verschiedene entfernte Landen, besonders aber die Russische Colonien, wird …. anbefohlen, … auf das Thun und Lassen deren, der Emigration verdächtigen …. Unterthanen, gute Acht tragen, und …. die etwa gleichwohlen aber sich formachende alsogleich zu verfolgen … und arrestirlich hinsetzen“.

3 Auswanderungswillige, deren Aufnahmeland die eigenen Untertanen nicht mit Abzugsgebühren belastete, konnten, falls Reziprozitätsabkommen bestanden, von der Nachsteuer befreit werden.