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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert
Zar Peter I. - Kindheit
Geburt Peters des Großen
Peter der Große wurde am 9. Juni 1672 als Pjotr Alexejowitsch Romanow geboren. Seine Eltern waren Zar Alexei Michailowitsch Romanow und seine 2. Frau Natalia Kirillowna Naryschkina1, Tochter eines Mannes des niederen Adels aus der Deutschen Vorstadt.
Aufgrund seiner über 2 m stattlichen Köpergröße und seines Lebenswerkes erhielt Peter dann später den Beinamen "der Große".
Natalia, die Mutter Peters
Peters Erziehung wurde seinem Großvater Naryschkin, den Grafen Peter Iwanowitsch Prosorossskji, Feodor Alexejewitsch Golowin und Gabriel Iwanowitsch Golowkin und nicht zuletzt seiner Mutter übertragen.
Nach dem Tod seines Halbbruders Fjodors III. (7. Mai 1682) wurde der vitale Peter nach erbitterten Machtkämpfen noch minderjährig zusammen mit seinem schwachsinnigen Halbbruder Iwan V. (*1666, †1696) zum Zaren ausgerufen.
Krönung Peters I. und Iwans V.
So schwach Iwan auch sein mochte, so groß war seine Liebe zu seinem Halbbruder Peter, denn auf ihn (Peter) beruhe die Erhaltung des Reiches und so bald er volljährig sei wolle er ihm die Regierung überlassen.
Gerhard Anton von Halem: Leben
Peters des Grossen,
Münster und Leipzig, 1805;
Peter der Große
im Alter von 10 Jahren
Machtkämpfe und Intrigen waren diesen Veränderungen vorausgegangen, die im Strelitzenaufstand2 gipfelten. Vor den Augen des jungen Peter ermordeten die Strelitzen zwei Brüder seiner Mutter sowie deren Ziehvater Matwejew.
Dieses Ereignis gilt allgemein als das Schlüsselerlebnis für Peter, da sich bei ihm daraufhin der Hass auf die Feinde (Strelitzen), Grausamkeit und Rachesucht aber auch traumatische Angst und Verfolgungswahn einprägten. Peter neigte zu Gewaltausbrüchen und zeigte als Erwachsener einen starken Hang zur Grausamkeit. Er hatte ein ständiges nervöses Zucken im Gesicht, das sich bei grosser Aufregung auf den ganzen Körper ausdehnte. Man geht heute davon aus, dass Peter an einer milden Form der Epilepsie gelitten haben muss.
Bojaren im 17. Jahrhundert
Moskau wurde für ihn eine verhasste Stadt, in der er Todesfurcht erlitt, die Kremlpaläste mit ihrem Labyrinth dunkler Gänge und Gemächer, die Priester und die langbärtigen Bojaren3 wurden zu gefürchteten und zu bekämpfenden Objekten.
Nach dem Tod seines Vaters Alexei im Jahr 1676 bekam Peter eigentlich keinen Unterricht mehr durch zugeordnete Lehrer. Sofia (Peters Halbschwester und Regentin von Russland) war der Meinung es genüge, wenn der Zar lesen und schreiben könne. Je ungebildeter er war, desto ungefährlicher war er für Sofia.
Peter mit seinem Lehrer Sotow
1677 wurde dann dem Sekretär der Supplikenkanzlei (Bittschriften-behörde) Nikita Moiseiwitsch Sotow (Zotow) die Erziehung Peters übertragen. Natürlich gab es keinerlei Vergleich mit dem hochgebildeten Schriftsteller und Dichter Simeon Polozki, dem Lehrmeister der übrigen Kinder Zar Alexeis.
Von Sotows Lehrertalent weiß man nur, dass er dem Prinzen die ersten Anfangsgründe der Weltgeschichte durch Vorzeigen von Bildern beigebracht habe und bemüht war den Wissensdurst seines Schülers zu befriedigen.
Peter I. mit seiner Mutter Natalia,
dem Patriarchen Stefan Yavorsky
und seinem Lehrer Nikita Zotov
Es scheint aber, dass Sotow, trotz dieser gewiss harmlosen Unterrichts-methode zu tüchtig und damit unbequem geworden war, denn er wurde plötzlich am 15. August 1680 zur Abschließung eines Waffenstillstandes mit den Tataren auf die Insel Krim geschickt, ohne dass von einem Stellvertreter als Lehrer bei dem Prinzen irgendwie die Rede gewesen wäre. Vielleicht meinten Peters Vormünder, dass er nicht mehr wissen sollte als sie selbst. Er war damit aber nicht einverstanden und wählte sich selbst seine Lehrer aus.
Sicher ist aber, dass Peter die Vernachlässigung seiner Erziehung in seinem späteren Leben schmerzlich spürte und versuchte sie nachzuholen. So hatte er Zeit seines Lebens Mühe beim Schreiben.
Patriarch Joachim
Vom damaligen Patriarchen Joachim ließ er sich, nachdem er einer Kreuzprozession beigewohnt hatte über den Ursprung und Zweck dieser und ähnlicher Kirchenfeierlichkeiten unterrichten.
Peter wurde immer mehr zu einem Autodidakt, der sich durch die "Learning-by-Doing-Methode" die Sachen aneignete, die er benötigte.
Was Peter nicht lernte, waren die geistigen Strömungen jener Zeit. Dieser Rückstand war vermutlich auch dann der Auslöser für die späteren Reformen.
Peter hielt sich meist in Preobrashenskoje, einem Ort an der Jausa unweit von Moskau auf, den schon Peters Vater, Alexei I., liebte und dort ein Schauspielhaus (Poteschnie Dworetz) erbauen ließ, in dem von deutschen Schauspielern und Musikern Komödien und Tragödien, Tänze, Ballette und Konzerte gegeben wurden.
das Theater in Preobrashenskoje zur Zeit Alexeis I.
In den ersten Jahren seiner Herrschaft schien Peter noch nicht übermäßig an der Regentschaft beteiligt gewesen zu sein und sich für die Staatsbelange zu interessieren. Er wurde vor allem durch Wissbegierde, Forscherdrang, Launen und Einfälle gelenkt, anstatt in erster Linie an das Wohl des Staates zu denken.
Peter I.
Der ohne adäquate Leitung gelassene Peter war auf seine nächste Umgebung angewiesen und die bestand aus einer Anzahl von Spielgefährten (Poteschnie). Schon frühzeitig zeigte sich die Neigung des Knaben für Waffen. Er hatte seine Freude daran, mit eigner Hand zu schießen. Den geschicktesten der Artillerieoffiziere, den er bei solcher Gelegenheit kennen lernte, war der Leutnant Franz Timmermann4, den er zu sich nach Preobrashenskoje nahm, um von ihm die Anfangsgründe der Mathematik und der Befestigungskunst zu erlernen.
Anmerkungen
1 Natalia
Kirillowna Naryschkina war die Tochter eines einfachen Reiteroffiziers
und einer Ausländerin, einer geborenen Hamilton.
Unter einem früheren
Zaren war ein Hamilton aus Schottland nach Russland gekommen und seine
Nachkommen lebten als Dienstleute der Krone in der deutschen
Vorstadt bei Moskau. Der Obrist des Reiterregiments, in
welchem Kirill Naryschkin diente, namens Matwejew, heiratete eine Hamilton,
deren Nichte wieder vermählte sich mit Naryschkin. Dieser wie
auch Matwejew waren beide niederer Herkunft. Matwjewew und Naryschkin
wurden wegen ihrer Heirat von ihren Landsleuten neidisch betrachtet.
Matjwejew erreichte einen gewissen Wohlstand, der es ihm möglich
machte, die Tochter des Kirill Naryschkin in sein Haus zu nehmen, um
sie hier besser zu erziehen, als es sonst in der Sitte der Zeit üblich
war. Matjewews Haus war anders als die Häuser der übrigen
Russen. Hier herrschten europäische Art und Weise, hier war der
Mittelpunkt für alle
Fremden, hier fanden sich die Gesandten der Staaten Europas ein, und
die “aufgeklärten Geister“ der Zeit, wie man sie damals
nannte, hielten hier ihre Versammlungen. Die Frauen nahmen an den Unterhaltungen
der Männer teil und pflegten mit ihnen einen freieren, beinahe
ungezwungenen Verkehr.
Natalia Kirillowna sah andere Sitten als Muster
vor ihren Augen, wie die übrigen russischen Mädchen jener
Epoche, und infolgedessen eignete sie sich schönere Umgangsformen
an, die den Zaren Alexei bei der Wahl seiner 2. Ehefrau beeinflussten.
So geschah es, dass die Tochter des “abtrünnigen“ Kirill
Naryschkin und der “heidnischen“ Fremden zur Zarin von
Moskau emporstieg und die Mutter Peters des Großen wurde. Sie
war es, welche nach Alexeis wenige Jahre später erfolgtem Tode
die Erziehung des jungen Peter ganz an sich nahm und in ihm Liebe für
das Ausland, für ausländische Wesen, für ausländische
Bildung erweckte.
2 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.
3Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.
4 Franz Timmermann = über die Herkunft Timmermanns gehen die Nachrichten auseinander. Einige lassen ihn aus Strassburg andere aus Holland abstammen. Zum Oberst befördert, verbrannte er 1691 bei einem Feuerwerk in Moskau.