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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

Die große Gesandtschaft Peters des Großen

(Teil 1 von 4)

Godfrey Kneller: Peter I. um 1698
Godfrey Kneller: Peter I. um 1698

Nachdem Peter im Februar 1697 eine zu seiner Beseitigung angezettelte Verschwörung blutig unterdrückte und bestrafte, die Regierungs-geschäfte einer Anzahl Großer übertrug und die Strelitzen1 an die Grenzen des Reiches verteilt hatte, trat er im März 1697 seine erste Reise ins Ausland an (1697-98), die unter der Bezeichnung "Große Gesandtschaft" bekannt geworden ist.

Die bisherigen russischen Gesandtschaften hatten in Europa einen höchst ungünstigen Eindruck hinterlassen; man nannte die russischen Gesandten "Halbtiere". Diesmal sollte es ander sein, denn sie sollte den Anstoß für die bald häufig werdenden Reisen der Russen zu touristischen und gelehrten Zwecken sein.

 

Fedor A. Golowin
Fedor A. Golowin

Die Große Gesandtschaft Peters hatte über 200 Mitglieder und wurde von Franz Lefort, der mittlerweile Statthalter von Nowgorod und General geworden war und zwei Männern mit diplomatischer Erfahrung (F. A. Golowin, Statthalter von Sibirien und P. B. Wosnizyn, Ratsekretär und Statthalter von Bolchow) geleitet.

 

Unter den Mitgliedern befanden sich 22 ausgewählte Hofkavaliere, deutsche oder besser gesagt ausländische Offiziere, 5 Dolmetscher, 6 Pagen, 4 kleine Zwerge, die dem Zaren als Spielzeug dienen sollten, 21 Diener in prächtiger Kleidung, 3 Trompeter, Musiker, 1 Prediger, Ärzte, Chirurgen, 70 Soldaten in grüner Russischer Uniform, 40 adelige Freiwillige usw. Diese "Freiwilligen" aus den vornehmsten russischen Familien dienten dem Zaren gewissermaßen als Geißel für die Treue ihrer Eltern.

 

Ausreisegenehmigung für Pjotr Michailow
Ausreisegenehmigung für Pjotr Michailow

Peter reiste nicht offiziell als Zar, sondern inkognito als Unteroffizier unter dem Namen Pjotr Michailow. Doch der lernbegierige Russe fiel trotzdem überall auf. Denn für damalige Verhältnisse war der zwei Meter große Mann mit dem Zucken im Gesicht ein Riese. Zudem begleitete ihn ständig ein Gefolge von mehr als 250 Höflingen. Aber alle taten so als ob ihn niemand erkennen würde.

Die Große Gesandtschaft in Königsberg
Die Große Gesandtschaft in Königsberg

Peter wollte die europäische Kultur ohne Hofzeremoniell aus eigner Anschauung kennen lernen. Er hatte sich daher ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Auf einer einzigen Reise wollte er sich das gesamte technische und wissenschaftliche Know-how des Westens aneignen.

 

Offizieller Anlass für die diplomatische Mission waren Verhandlungen mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, mit Brandenburg, Dänemark, den Niederlanden, England, mit dem Papst und der Republik Venedig zur Gründung einer europäischen Koalition für einen eventuellen neuen Krieg gegen das Osmanische Reich und die Krimtataren aber auch die Intergration Russlands in Europa.

Albert Lortzing: Zar und Zimmermann
Albert Lortzing:
Zar und Zimmermann

 

Die Geschichte dieser Reise inspirierte den Komponisten Albert Lortzing zu der komischen Oper “Zar und Zimmermann”, die 1837 in Leipzig uraufgeführt und auch verfilmt wurde.

 

Am 9. März 1697 brach die Gesandtschaft ihre Reise ins Ausland an. Es ging über Nowgorod zuerst ins schwedische Livland, wo sie 14 Tage später in Riga ankam. Riga gehörte seit 1629 zu Schweden.

Erik Dahlberg
Erik Dahlberg

Der damalige General-gouverneur Erik Dahlberg begrüßte die russischen Diplomaten höflich, aber ohne Militärparade, da er ja offiziell keine Nachricht von der Anwesenheit des Zaren hatte.

Peter schlenderte durch die Straßen Rigas und versuchte Nachrichten über die Festungen Schwedens zu bekommen. Die Garnison von Riga schätze er auf 1.000 Mann und ein kleiner Teil der Festungsanlagen war noch nicht vollendet. Den schwedischen Soldaten gefiel die Neugier der Russen nicht und als einige dieser Ausländer sogar die Tiefe eines Grabens ausmessen wollten, griffen sie als Wachposten ein.

Nach einem Gespräch mit dem Gouverneur Dahlberg musste Lefort, Leiter der russischen Gesandtschaft, seinen Untergebenen jede weitere Ausmessung militärischer Ziele verbieten. Peter ärgerte sich sehr darüber und brummte gegen die Riga.

13 Jahre später, im Jahr 1710, als sich die Russen anschickten Riga zu belagern, hegte Peter immer noch einen heimlichen Groll gegen diese Stadt und feuerte mit Genugtuung den ersten Kanonenschuss gegen den "verdammten" Ort.

 

Friedrich Kasimir Kettler
Friedrich Kasimir Kettler

Am 10. April 1697 erreichte der Zar Mitau, wo er sich 2 Wochen aufhielt. Friedrich Kasimir Kettler, Herzog von Kurland2, bot dem russischen Staatsoberhaupt eine besonders freundliche Aufnahme, so dass die Identität des Monarchen der breiten Öffentlichkeit nicht länger verborgen blieb.

 

Iwan IV.
Wiktor Wasnezow: Iwan IV.

In Libau sah Zar Peter I. zum ersten Mal die Ostsee. Die Absicht aus Russland eine Seemacht zu machen, war für Peter ein dominanter Gedanken. Schon seit Iwan dem Schrecklichen spielte dieses Bedürfnis, einen Hafen an der Ostsee zu haben, eine wesentliche Rolle in der russischen Außenpolitik.

Peter dachte nicht daran die Ostseeküste in der unmittelbaren Zukunft zu erobern, hatte aber in jedem Fall ein außerordentliches Interesse für die Befestigungen Rigas gezeigt und dort Waffen der schwedischen Armee gekauft und nach Moskau transportieren lassen. Daraus könnte man annehmen, dass er es schon seit 1697 vorgesehen hatte einen Krieg im Norden zu führen.

In Libau amüsierte sich Peter mit ausländischen Matrosen in einer Taverne, wo er sich als "Kapitän eines russischen Linienschiffes" vorstellte. Mit den Matrosen, gefühllose Männer mit harten Händen, verstand er sich besser als in einer Gesellschaft des Hofes, wo seine ungehobelte Art und Weise oft peinlich war.

 

Friedrich III., Kurfürdt von Brandenburg
Friedrich III., Kurfürdt von Brandenburg

Nach einigen Tagen, ohne Gefolge, schiffte Peter sich in Libau ein und begab sich über Pillau ins preußische Königsberg, wohin sich auch die Gesandtschft unter der Leitung von Lefort, aber auf dem Landweg über die Memel, begab.

Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, bereite den hohen Gästen einen herrlichen Empfang und übernahm auch die Kosten, was sich, wie es hieß, auf insgesamt 150.000 Taler belief.

 

In Königsberg besuchte Peter beim Fachingenieur Steitner von Sternfeld einen Artilleriekurs. Am Ende dieses Kurses erhielt Peter von seinem Lehrer ein Diplom auf Pergament, das bescheinigte, dass "Pjotr Michhailow" in überraschend kurzer Zeit tiefe Kenntnisse im Bereich der Artillerie erworbenen hatte und dass er als ein kluger, zuverlässiger und mutiger Meister dieser Branche betrachtet werden konnte.

 

In der Zwischenzeit verhandelte der Kurfürst mit den russischen Diplomaten um das Projekt einer militärischen Liga. Es kam aber zu keiner Vereinbarung, da die Russen einen Bündnispartner gegen das Osmanische Reich suchten und Preußen gegen Polen und Schweden.

Die getroffenen Vereinbarungen beschränkten sich auf den Handelsverkehr, den freien Transit von Russen in Westeuropa und die gegenseitige Auslieferung von Straftätern.

 

Burg Coppenbrügge
Burg Coppenbrügge

Von Pillau kam Peter I. auf dem Seeweg nach Kolberg, dann in einer Reisekutcshe bis Berlin, wo er sich nur wenige Stunden weilte. Nach einem Besuch in der Eisenhütte in Ilsenburg und einigen anderen Ausflügen kam Peter in Koppenbrügge bei Hannover an. , wo Peter von der Kurfürstin Sophie Dorothea von Brandenburg freundlich empfangen wurde.

 

Korsett
Korsett

Über die deutsche Frauenwelt äußerte sich Peter wörtlich:

„Wie teufelsharte Knochen haben die deutschen Damen!"

womit auf das Korsett gedeutet war, welches ihm während des Tanzes als Knochen erschienen.

 

Die Kurfürstin beschreibte, wie folgt, den Eindruck, den der russische Herrscher auf sie gemacht hatte:

„Der Zar ist sehr groß, sein Gesicht ist sehr schön und er hat einen sehr edel gebauten Körper. Er ist sehr humorvoll, seine Antworten sind scharfsinnig und angemessen. Aber angesichts all dieser Geschenke, mit denen ihn die Natur vorgesehen hat, wäre es wünschenswert, wenn er weniger bäurische Manieren hätte. Dieser Prinz ist auf der einen Seite sehr gutmütig, auf der anderen Seite sehr boshaft. Er hat den Charakter seines Volkes. Wenn er eine bessere Erziehung erhalten hätte, wäre er eine perfekter Mann ... . .

.... daß der Zar nicht sauber essen gelernt."

E. Pelz: Geschichte Peters des Großen, Karl. B. Lorck, Leipzig, 1848, S. 129;

 

Nach einigen Tagen ging es weiter nach dem Land seiner Sehnsucht, die Vereinigten Niederlande, wo er im August 1697 ankam.

Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande die führende See- und Wirtschaftsmacht Europas.

lineAnmerkungen

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1 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.

2 Kurland gehört heute zu Lettland; damals war es ein kleiner polnischer Vasallenstaat im Baltikum, ein Überrest aus dem alten Territorium des Deutschritterordens.