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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

Die deutsche Vorstadt zur Zeit Peters des Großen

Peter der Große
Peter der Große

Die Blütezeit der in Russland schon seit dem 16. Jahrhundert lebenden deutschen Stadt-bevölkerung begann jedoch unter dem Reformzar Peter dem Großen (1689 - 1725), dessen Weltbild sich im we-sentlichen unter dem Einfluss der Moskauer Ausländer-kolonie formte.

Peter der Große verbrachte als junger Mann die meiste Zeit in der deutschen Vorstadt, dem Fenster in die weite, inte-ressante Welt des Westens.

 

 

 

 

Moskau im 17. Jahrhundert
Moskau im 17. Jahrhundert

Moskau hatte damals 200.000 Einwohner, wovon 27.000 orthodoxe Geistliche waren. Die Stadt lag abgeschottet von der Umwelt und schien dem Zaren, Peter dem Großen, dumpf und rückwärts gewandt.

 

In der deutschen Siedlung dagegen fand Peter alles, was ihn interessierte.

Peter mit seinen ausländischen Gefährten
Peter mit seinen ausländischen Gefährten

Hier lernte er eine andere Welt kennen als die altrussische, hier bildete sich ihm die Vision eines neuen und modernen Russland, wie er es auf seiner großen Reise nach dem Westen vertiefte und es dann in der neuen Hauptstadt Sankt Petersburg in die Realität umzusetzen versuchte. Er beobachtete die Steinmetze, Zimmerleute, Buchdrucker und Schmiede bei der Arbeit, sammelte Erkenntnisse und Erfahrungen.

Brutalität und Reformeifer lagen beim russischen Zaren Peter I. sehr eng beieinander. Dennoch prägten die Erfahrungen, die er in der Siedlung der Deutschen am Moskauer Stadtrand machte, viele seiner späteren Entscheidungen durchaus positiv.

deutsche Vorstadt
deutsche Vorstadt

 

Iwan IV.
Iwan IV.

Wie man sieht, war es ein weiter Weg vom ersten Erscheinen deutscher Elemente in Russland bis zur Gründung und Entfaltung der deutschen Vorstadt in der unmittelbaren Nähe Moskaus.

Unter der Schreckensherrschft Iwans IV. hatten die Deutschen als Kriegsgefangene, sehr häufig als Sklaven, ein elendes Los. Zu Ende des 17. Jahrhunderts hingegen hatte Zar Peter I. sie seines persönliches Verkehrs gewürdigt, sie als seine Lehrmeister geschätzt, in ihren Kreisen Freunde gesucht und gefunden.

 

Auch die gottesdienstlichen Übungen unterschieden sich sehr wesentlich in ihrem Verhalten zu den allgemeinen Vorschriften im Reich des 16. Jahrhunderts zu den steinernen Kirchen zur Zeit Peters, in denen der junge Zar selbst erschien und deren Gründung und Ausbau er förderte.

In den dazwischen liegenden anderthalb Jahrhunderten war Russland um ein gewaltiges Stück weitergekommen.

Patriarch Joachim
Patriarch Joachim

Die Staatskirche war dieselbe geblieben: die Patriarchen Ignatius und Joachim hatten wiederholt, was der Beichtvater und Ratgeber Iwans IV., der orthodoxe Geistliche Sylvester, in seinem „Domostroj“1 gepredigt hatte, und zwar allen Verkehr mit den Lateinern, Lutheranern und Calvinisten2 zu meiden, jeden Einfluss, den die Ausländer ausübten mit dem Tod zu bestrafen, nie diesen Ketzern ein Amt zu geben und nie die Kleidung, Sitten, Gewohnheiten und Gebräuche der Ausländer anzunehmen oder einzuführen; der Staat aber war in der Zwischenzeit ein anderer geworden: man war der Meinung, dass weder der Verkehr mit den Ausländern noch das Bestehen der Kirchen der Andersgläubigen eine Gefahr für das Reich, für das nationale Wesen und den Glauben in sich schließe.

Andrei Rjabuschkin: eine typische russische Kaufmannsfamilie aus dem 17. Jahrhundert
Andrei Rjabuschkin: eine typische russische Kaufmannsfamilie aus dem 17. Jahrhundert

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Anmerkungen

  1 Domostroj = (wörtlich Hausordnung)  russischer Gesetzeskodex aus dem 16. Jahrhundert, der bis ins 19. Jahrhundert im Gebrauch war. Er beschreibt die Regeln des öffentlichen, religiösen und insbesondere familiär-alltäglichen Verhaltens und hat eine moralisierende und disziplinierende Funktion. Besonders detailliert wird darin auf die Haushaltsführung eingegangen.

2 Calvinismus = evangelisch-reformierte Glaubenslehre des Genfer Reformators Johannes Calvin, die nur die geistige Präsenz Christi beim Abendmahl und das Schicksal der von Gott Auserwählten vertritt.