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Die deutschen Siedlungen im Schwarzmeergebiet

Vormarsch der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen

deutsche Truppen auf dem Vormarsch
deutsche Truppen auf dem Vormarsch

Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, Mitte Februar 1918, setzten die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen ihren Vormarsch in Richtung Schwarzes Meer fort. Da die Russen kaum Widerstand leisteten, gestaltete sich die Offensive zum 'Eisenbahnvor-marsch'.

Am 18. Februar marschierten die deutschen Truppen, am 28. Februar die österreichisch-ungarischen Truppen in die Ukraine ein. Am 14. März 1918, also etwas mehr als einen Monat nach dem Separatfrieden mit der Ukraine, wurde Odessa besetzt, die “Rote Garde“, so nannten die Bolschewiken1 ihre Einheiten, zogen sich zurück. Die Truppen, die von der deutschen Bevölkerung jubelnd begrüßt wurden, waren noch rechtzeitig eingetroffen, um die von den Bolschewiken angekündigte Blutbäder zu verhüten2.

... Mit der Zeit setzten sich aber die Bolschewiken im Dorfe [Hoffnungstal (Zebrikovo) bei Odessa] fest. Sie pflanzten an der Gemeindeverwaltung und am Krankenhaus die rote Fahne auf und wir waren somit in ihren Händen.
Eine ihrer ersten Taten sollte die Ermordung der Bourgeoisie sein in Odessa und Umgebung, nachdem sie die zaristischen Offiziere schon alle umgebracht hatten, soweit dieselben ihnen nicht entkamen. Da gelang es der geängstigten Einwohnerschaft von Odessa an das deutsche Militär die Bitte um Hilfe durch ein Funktelegramm gelangen zu lassen und am Tag, vor der geplanten Bartholomäusnacht, erreichte eine Abteilung deutscher und österreichischer Soldaten die Stadt und auch unser Dorf. Das war ein Jubel und heiße Dankgebete stiegen zu Gott empor! Sofort verschwanden alle Roten und wir durften wieder frei aufatmen, da Odessa von deutschem Militär besetzt wurde...."

Anna Schrenk: Mein Erlebnis im evangelischen Pfarrhaus in Russland, DAI film T81-634, frame 5435004, S. 6

Die Schreckensherrschaft der Bolschwiken war damit vorläufig beendet. In Kolonistenkreisen kam nun die Hoffnung auf, das alte Vaterland Deutschland werde sie zu schützen wissen. Auch der Großteil der ukrainischen einheimischen Bevölkerung begrüßte den Einmarsch der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen, zumal sie auf die Gründung eines eigenen Staates hofften.

Die deutschen Soldaten, von den Kolonisten Deutschländer genannt, wunderten sich in Südrussland eine so große Anzahl deutscher Dörfer vorzufinden, wo Schwäbisch oder Hessisch gesprochen wurde und wo es reichlich Weißbrot gab. Nach einer Volkszählung von 1912 lebten an der Küste des Schwarzen und Asowschen Meeres, in Bessarabien, an der Mündung des Dons und auf der Krim zirka 500.000 Deutsche.

ehemalige deutsche Kolonistenbezirke am Schwarzen Meer
ehemalige deutsche Kolonistenbezirke am Schwarzen Meer

 

Friedensvertrag von Brest-Litowsk
Friedensvertrag von Brest-Litowsk

Der Vormarsch der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen wurde auch durch den am 9. Februar 1918 mit der Ukraine und am 3. März 1918 mit Sowjetrussland abgeschlossenen Friedensvertrag von Brest-Litowsk nicht gestoppt.

Im Verlauf des Vormarsches in die Ukraine wurde auch die nicht zur Ukraine gehörende Krim am 18. April 1918 von deutschen Truppen besetzt. Wie alle militärischen Unternehmen, die im Frühjahr 1918 im Osten durchgeführt wurden, war die Besetzung der Krim gegen den Willen der deutschen Reichsleitung erfolgt und verletzte somit eindeutig die Bestimmungen des Friedensvertrages von Brest-Litowsk.

Die Sowjetregierung, die seit der Einnahme Odessas (am 14. März) mehrmals in Berlin gegen das Vordringen der deutschen Truppen an der Schwarzmeerküste protestierte, bezeichnete die Krim als zu Sowjetrussland gehörig. Das Auswärtige Amt teilte einerseits der Sowjetregierung mit, dass die deutsche Regierung die Krim nicht als ukrainisches Territorium betrachte und daher nicht die Absicht habe, sich in die staatsrechtliche Gestaltung der Krim einzumischen, andererseits stimmte es der Obersten Heeresleitung (OHL) zu, dass es nicht im deutschen Interesse liege, wenn sich nach Entstehung der Ukraine an ihrer Südgrenze „eine Filiale der russischen Sowjetregierung3“ auftue und die Krim großrussisch bleibe. Auf das “Spiel der Mächte“ soll an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden.

 

Pastor Immanuel Winkler
Pastor Immanuel Winkler,
Sohn deutscher Kolonisten aus Sarata
(mit Genehmigung der Fam. Winkler)

Was sollte aber aus der Krim werden?

Es kam zu verschiedenen Vorschlägen, wie Rückwanderung nach Deutschland, An-siedlung im Baltikum oder Zusammen-ziehung der deutschen Kolonisten. Einer der Vorschläge war der von Pastor Immanuel Winkler, Sprecher der Schwarz-meerdeutschen, der in seiner Eingabe vom 2. März 1918 die Schaffung einer Kronskolonie vorschlug, in der die deutschstämmigen Kolonisten Russlands (Bessarabien, Cherson, Krim) unter dem Schutz des Deutschen Reiches anzusiedeln waren.

Winkler schlug vor, die bulgarischen Kolonisten Bessarabiens in die Dobrudscha umzusiedeln, um dort „die bulgarische Volksschicht zu stärken, wogegen die deutschen Kolonisten aus der Dobrudscha jedenfalls gerne nach Bessarabien zögen, da diese zu den deutschen Kolonisten dort schon lange rege Beziehungen unterhielten. Wenn andererseits Rumänien den nördlichen Teil Bessarabiens erhält, dann könnte es seine Kolonisten aus dem Süden des Gebietes in den Norden überführen und auf diese Weise wäre Raum geschaffen für deutsche Siedler aus der Ukraina, die jetzt noch nicht ins Mutterland zurückziehen können..... Wenn auf diese Weise ein deutsches Siedlungsgebiet aus dem südlichen Teil Bessarabiens und den süd-westlichen des Chersonschen Gouvernements.... geschaffen wäre, könnten sich die deutschen Kolonisten aus dem Süden Rußlands in dies Gebiet zurückziehen... In diesem Zusammenhang muß auch auf die Halbinsel Krim hingewiesen werden.... Heute wohnen in der Krim zirka 50000 Deutsche … hätte das Deutsche Reich am Schwarzen Meere erst Fuß gefaßt, so wäre es leicht, auch die Bevölkerung der Krim für einen Anschluß an diese Kolonie zu gewinnen ….

aus: PA AA, RZ 201, R 22113 (Eingabe Winkler vom 2. März 1918)

Winklers Plan sollte in den kommenden Monaten mit viel Leidenschaft erörtert werden und fand sogar Befürworter bis hinauf in die Spitze der Reichs- bzw. Heeresleitung (OHL).

Um das besser verstehen zu können, müssen wir zurück zu den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die am 3. Dezember 1917 begannen.

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Anmerkungen

1 Bolschewiki = ist eine ehemalige Bezeichnung für Parteimitglieder der KPdSU  (Kommunistische Partei der Sowjetunion). Der Begriff entstand 1903 auf dem zweiten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands ( SDAPR ) in London . Die Anhänger Lenins stellten auf diesem Parteitag die Mehrheit (russ. bolschinstwo ) weswegen sie Bolschewiki genannt wurden. Die Minderheit (russ. menschinstwo ) nannte man Menschewiki.
Die Bolschewiki waren wesentlich radikaler als die anderen Teile der Partei. Sie strebten den baldigen Sturz des Zaren und die damit verbundene Einführung des Kommunismus an. Die Menschewiki verfolgten zwar das selbe Ziel wollten aber erst ausreichende Reformen einleiten.
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs verurteilten die Bolschewiki eine Teilnahme Russlands als imperialistische Aggression. Sie gewannen stark an Zuwachs als die Truppen des Zaren an fast allen Fronten Rückschläge hinnehmen mussten.
In der  Oktoberrevolution  von  1917  wurden sie die stärkste Macht im Lande. Der aus dem Exil zurückgekehrte Wladimir Iljitsch Lenin übernahm die Führung der Kommunisten. Seine Macht basierte teilweise auf der Unterdrückung seiner Gegner.
Lew Trotzki, Volkskommissar für das Kriegswesen, formierte nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk, den er als persönliche Niederlage betrachtete, die Rote Arbeiter- und Bauernarmee mit der er erfolgreich im russischen Bürgerkrieg (1917/18-1920) gegen die zaristisch-bürgerlichen Weißen, vorgehen konnte.
Bis 1922 schafften es die Bolschewiki fast den gesamten Osten des riesigen russischen Reiches zu kontrollieren. Damit verbunden war der so genannte Kriegskommunismus eine Wirtschaftspolitik die alle Unternehmen unter staatlicher Kontrolle stellte. Weitere repressive Maßnahmen führten zu extremen Versorgungsengpässen und damit auch zu Aufständen innerhalb der Bevölkerung.
Nach 1918 nannten sich die Bolschewiki "Kommunistische Partei und ab 1925 Kommunistische Partei der Sowjetunion mit dem Anhang (Bolschewiki). Im eigenen Land nahmen besonders zu Stalins Zeiten Repressalien gegen die sowjetische Bevölkerung zu. Die Geheimpolizei unterdrückte jede Opposition und bei Säuberungsaktionen wurden viele Kritiker und potenzielle Feinde verhaftet und getötet. Auf diese Art und Weise beherrschten die Kommunistische Partei lange Zeit das Land.

2 PA AA, R 10591: Bericht Lindequists über seine Reise nach der Ukraine und der Krim vom 21. März - 25. Mai 1918, S.2

3 Quelle: Winfried Baumgart: Ludendorff und das Auswärtige Amt zur Besetzung der Krim 1918 in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Bd. Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 14, 1969 S.530