Als Ivan IV. am 18. März 1584 im Alter von 53 Jahren starb, hinterließ er zwei Söhne: den aus seiner ersten Ehe 1557 geborenen körperlich hinfälligen und geistig zurückgebliebenen Fjodor und den aus seiner siebten Ehe von der orthodoxen Kirche nicht anerkannte erst 1583 geborene Dimitri.
Am 31. Mai 1584 wurde Fjodor I. trotz seiner Behinderung zum Zaren gekrönt. Fjodors Vater, Iwan IV., hatte noch vor seinem Tod befohlen, seinem Sohn einen aus 5 Bojaren1 bestehenden Regentschaftsrat, dem auch Boris Godunow angehörte, zur Seite zu stellen.
Es kam zu einem inneren Machtkampf, dem unter anderem der Bojare Fjodor Nikititsch Romanow2 (Stammvater der Dynastie Romanov) unterlag. Fjodors Schwager, der Bojare Boris Godunow3, ehemaliger Opritschnik4 und enger Vertrauter Iwans IV. übernahm die Führung der Staatsgeschäfte.
Nun Vormund über Fjodor kam Godunow seinem Ziel, russischer Zar zu werden, wesentlich näher.
Daher entledigte er sich sehr schnell seiner Widersacher, Konkurrenten aus dem hohen Adel, wie Romanow und Schuiski schaltete er aus, indem er den ersten zwang, ins Kloster zu gehen, das Mönchsgelübde abzulegen und seine Ehe aufzulösen. Den zweiten verbannte Godunow nach Galitsch in Ostgalizien.
Allerdings war da ja noch Dimitri, der unter der Obhut seiner Mutter Maria Nagaja aufwuchs.
Um sich des Throns zu bemächtigen wurde Dimitri zusammen mit seiner Mutter Maria Fjodorowna Nagaja 1584 nach Uglitsch in Nordrussland verbannt.
Dort kam der neunjährige Dimitri, der einzige männliche Sprössling des Hauses Rurik, 1591 unter ungeklärten Umständen ums Leben. Vermutet wird, dass Regent Boris Godunow ihn ermorden ließ, um die Familie der Rurikiden erlöschen zu lassen und selbst Zar zu werden5.
Nach anderen Angaben rettete ihn seine Mutter, indem sie ihn nach Polen gebracht hätte.
Die Ungewissheit seines Todes und der Wunsch der Kosaken, der Bauern und der Leibeigenen nach einem klugen und gerechten Zaren, ließen dann später die falschen Dimitri (Pseudo-Demetrius) entstehen, deren erster 1603 auftrat.
Unter dem Zaren Fjodor Iwanowitsch, berichtet eine ausländische Quelle, hatten es die Ausländer gut. Die Westbeziehungen waren in der Zeit, in der Zar Fjodor auf dem russischen Thron saß, vornehmlich durch die Aktivitäten englischer Kaufleute gekennzeichnet.
Sie befanden sich schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Moskau und während der Regierungszeit Fjodors I. wurden ihnen von der russischen Regierung neue Privilegien eingeräumt.
1589 wurde das Moskauer Patriarchat errichtet und damit die russische Kirche von Konstantinopel6 unabhängig gemacht, das nicht nur das Ansehen der Kirche, sondern auch das des Staates erhöhte.
Mit dem Tod des kinderlosen Fjodors (1598) dankte seine Frau, die Zarina Irina Godunowa, die Schwester des nachfolgenden Zaren Boris Godunow, ab und es kam zu einer akuten Erbfolgekrise.
Mit dem Tod Fjodors I. erlosch die Dynastie der Rurikiden, die seit dem Warägerfürst Rurik für 700 Jahre die Geschichte der russischen Reiche geprägt hatten.
Einen vollwertigen Ersatz für diese Dynastie zu finden schien fast unmöglich.
1Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.
2 Fjodor Nikititsch Romanow = (* um 1553; † 11. Oktober 1633) war der Sohn des Nikita Romanowitsch († 1586) und der Eudokia Gorbaty-Schuiski. Er heiratete Ksenija Ioannowna Schestowa, die später als Nonne Marfa in ein Kloster verbannt wurde. Sie gebar ihm den späteren Zaren Michael I.
Nikita Romanowitsch war der Bruder von Anastasia Romanowna, die 1547 Zar Iwan IV. heiratete. Das machte Fjodor Nikititsch Romanow zum Cousin des Zarewitsch Dmitri (der von seinem Vater erschlagen wurde) und auch zum Cousin von Zar Fjodor I. Als Fjodor Nikititsch Romanow war er das Oberhaupt der Moskauer Bojarenfamilie Romanow-Jurjew und ist Stammvater der Romanow-Dynastie.
Nachdem er im 1598 im Machtkampf um den Zarenthron unterlegen war, wurde er von Boris Godunow 1601 gezwungen, ins Kloster zu gehen und das Mönchsgelübde abzulegen, wo er den Namen Philaret (auch Filaret) annahm.
1580 wurde er mit Irina Goduno, Schwester des Boris Godunow, verheiratet.
3 Boris Godunow = war Berater Zar Iwans IV.; von 1584 bis 1598 Russlands Regent für den geistig zurückgebliebenen Zaren Fjodor I. Nach dem Tod Fjodors wurde er 1598 von der Reichsversammlung (Semski Sobor) zum Zaren gewählt. Er starb am 23. April 1605.
4 Opritschnik = Angehöriger der Opritschnina, der "Spezialtruppe" des Zaren Iwan IV., einer berittenen Bande, deren Mitglieder zugleich Leibwächter, Spitzel, Polizisten und Henker waren (ähnlich wie im 20. Jahrhundert Stalins NKWD).
5 Die Mutter des Zarewitsch beschuldigte des Mordes einen Djak, einen von Godunow eingesetzten Beamten, der den Zarensohn beaufsichtigte. Die aufgebrachte Bevölkerung von Uglitsch tötete den Djak und dessen Sohn. Eine Mordkommission unter Leitung des Bojaren Schujski stellte fest, der Tod des Zarewitsch sei eine Folge eines epileptischen Anfalls gewesen. Im Endergebnis aber beschuldigte man die Zarenwitwe und ihre Verwandten als Anstifter des Mordes am Djak und dessen Sohn. Die Witwe zwang man, Nonne zu werden; ihre Verwandten wurden verbannt.
6 Konstantinopel = alter Name der heutigen am Bosporus gelegenen Stadt İstanbul in der Türkei.
Der römische Kaiser Konstantin I., genannt Konstantin der Große, machte die eher kleine griechische Kolonialstadt Byzantion (Byzanz) im Jahre 330 zur Hauptstadt des Römischen Reiches und nannte sie "Nova Roma" (Das zweite Rom). Nach seinem Tode benannte man sie zu seinen Ehren in Konstantinopel um.
Konstantinopel war lange das Zentrum der Christenheit. Sie verband das Erbe der Römer mit der Philosophie der Griechen und dem Glauben der Kirchenväter. Im 12. Jahrhundert hatte Konstantinopel 1 Million Einwohner, die größte Stadt der Welt; 300 Jahre später lebten dort nur noch 50.000 Menschen. Die Perle der Christenheit hatte ihren Glanz verloren.