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Die deutsche Vorstadt im 17. Jahrhundert

(Teil 5 von 7)

Moskau Ende des 17. Jahrhunderts
Moskau Ende des 17. Jahrhunderts

Den Einwanderern aus West-europa wurde vorgeworfen, dass sie gelegentlich eine entschiedene Abneigung gegen das russische Wesen an den Tag legten, dass sie den russischen Volksgeist nicht begriffen, dass sie darauf bedacht waren, nicht den russischen, sondern viel-mehr den eigenen persönlichen Interessen dienten, dass das Tun und Treiben der Ausländer auf eine Ausbeutung Russlands hinauslief.

europäische Kleidung im 17. Jahrhundert
europäische Kleidung
im 17. Jahrhundert

Aber das Verhalten der Ausländer war in erster Linie durch die Behandlung bedingt, die man ihnen zuteil werden ließ.

Nicht selten kam es vor, dass sie vom Volk verhöhnt wurden, wenn die Geistlichkeit sie als Ketzer bezeichnete, wenn die Regierung sich manchmal ihnen gegenüber feindlich verhielt. So kann man es verstehen, dass sich die Inte-ressen der Ausländer nicht mit den Interessen der Russen und Russlands identifizierten und, dass in ihnen ein Gefühl der Opposition zu dem Land, dem sie dienten, bestehen blieb.

 

 

Russiche Kleidung
Russische Kleidung

Die Institutionen des Moskauer Staates waren nicht immer in der Lage, den Ausländern den Aufenthalt in Russland angenehmer erscheinen zu lassen.

Viele ausgezeichnete Männer, hervor-ragende Gelehrte, tüchtige Geschäfts-leute, brauchbare Militärs, Ärzte usw. hatten unaufhörlich mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, fanden nicht immer den Rechtsschutz, den der Staat ihnen hätte bieten sollen, wurden ungerecht und zeitweilig brutal behandelt.

 

 

Salzgewinnung
Salzgewinnung der Stroganows

Während der Hof und die höheren Klassen der Gesell-schaft den Ärzten im All-gemeinen mit Achtung und Vertrauen begegnete, wäh-rend die Stroganows im Nordosten des Reiches schon im 16. Jahrhundert aus-ländische Ärzte und Apo-theker (scherzhaft: Gift-mischer) und allerlei Tech-niker beschäftigten, scheute sich das Volk vor den ausländischen Ärzten und gab seinem Misstrauen gegen dieselben gelegentlich Ausdruck.

Michael Wolgemuth: Tanz der Gerippe, kolorierter Holzschnitt, Nürnberg 1493
Michael Wolgemuth: Tanz der Gerippe,
kolorierter Holzschnitt, Nürnberg 1493

 

Skelette, anatomische Prä-parate, zoologische Objekte erregten oft den Verdacht, dass die Eigentümer solcher Gegen-stände Zauberer seien.

Alles naturwissenschaftliche, medizinische Studium galt in den Augen des unwissenden Pöbels als ein Werk des Teufels: als Sünde.

 

 

 

Patrick Gordon
Patrick Gordon

Die Geschichte einiger Ausländer, wie Patrick Gordon1, Laurentius Blumentrost (Arzt aus Mühlhausen (Thüringen), trat 1668 in den Dienst des Zaren Alexei I.), Laurentius Rinhuber (Arzt aus Sachsen, trat 1674 als Leibarzt in den Dienst des Zaren Alexei I.), u.a., weißt eine lange Reihe unliebsamer Episoden in dem Leben dieser Männer auf. Es war kein Wunder, wenn manche dieser Einwanderer sich mit den Zuständen des russischen Staatswesens nicht zu befreunden vermochten und wieder in ihre Heimat zurückkehrten.

 

Adam Olearius
Adam Olearius

Der aus Aschersleben stammende Reiseschriftsteller Adam Ölschläger, genannt Olearius2, erzählt folgende Episode: der Holländer Quirinus Bremburg, der 1626 ohne Aufruf nach Russland kam, hatte in seinem Zimmer ein Gerippe hängen. Als er einst bei sich zuhause war und die Laute spielte, glaubten die draußen stehenden Strelitzen3 durch den Spalt in der Tür wahrnehmen zu können, dass das Skelett sich nach der Musik bewege. Der Zar und der Patriarch erfuhren davon und schickten Leute hin, um den seltsamen Tatbestand zu erfassen. Diese bestätigten die Aussagen der Strelitzen. Die Russen waren allen Ernstes gesonnen, den Bremburg zusammen mit seinem Toten zu verbrennen. Nur durch Glück und wegen der Fürsprache eines namhaften deutschen Kaufmanns blieb es ihm erspart, zusammen mit dem Skelett auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

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Anmerkungen

1 Patrick Gordon war ein schottischer General der russischen Armee.Patrick wurde am 31. März 1635 als jüngster Sohn der katholischen Familie Gordon of Auchleuchries geboren. Aus religiösen Gründen weigerte er sich eine Universität in Schottland zu besuchen und verließ 1651 seine schottische Heimat. Über Danzig, Kulm, Posen und Hamburg tritt er 1661 in den Dienst des russischen Zaren Alexei I. Zusammen mit anderen Landsleuten und weiteren Westeuropäern sollte Patrick Gordon die russischen Truppen ausbilden. Doch findet er sich mit der komplizierten Situation am zaristischen Hof nicht zurecht und entschließt sich gegen Ende des Jahres 1661 Russland wieder zu verlassen, was ihm aber nicht erlaubt wurde. Er zeichnete sich in den Feldzügen gegen die Türken aus, war längere Zeit Kommandant von Kiew, wurde 1687 General und gewann seit 1689 hohen Einfluss auf Peter den Großen, dessen Heere er mit François Lefort auf europäische Art ausbildete. Im Türkenkrieg 1696 leitete er als kommandierender General die Operationen und eroberte die Festung Asow. Während Peters erster Auslandsreise war er Gouverneur von Moskau und unterdrückte den Aufstand der Strelitzen. Zum Ende seines Lebens war Gordon schwer krank und wurde immer wieder von Zar Peter besucht. Dieser soll während er starb (†29. November 1699) seine Hand gehalten und ihm die Augen geschlossen haben.

2 Adam Olearius(*1599  in Aschersleben † 1671 Schloss Gottorf/Schleswig) war Gelehrter und Handelsdiplomat. Nach seinem Studium der Theologie, Philosophie und Mathematik in Leipzig gelangte der junge Gelehrte 1633 an den Hof des Herzogs  Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf. Der Herzog, der eine wirtschaftliche Anbindung Norddeutschlands mit Persien und Russland plante, stattete eine Gesandtschaft aus, die am 6. November 1633 in Hamburg abfuhr. Das erste Ziel dieser Delegation war Moskau, wo sie mit Zar Michael I. ein Handelsabkommen abschließen wollte. Da der Zar aber äußerst unrealistische Vorstellungen darüber hatte, scheiterte die Gesandtschaft in ihrem eigentlichem Auftrag.
Über seine Reise berichtete Adam Ölschläger, wie Olearius er eigentlich hieß, in Moskowitische und persische Reise: die holsteinische Gesandtschaft 1633-1639, die 1647 erstmals in Deutsch erschien. Nach Herbersteins Reisebeschreibungen war dies der bedeutendste Bericht über Russland.

3 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.