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Deutsche Siedler in Kaukasien (Kaukasiendeutsche)

(Teil 2 von 2)

Für die Auswanderer sollten die Privilegien des Ukas vom 20. Februar 1804 gelten. In den Jahren 1816 bis 1818 packten scharenweise württembergische Familien ihre sieben Sachen und begaben sich auf den Weg gen Osten in das Reich des russischen Zaren.

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Reiseweg nach Transkaukasien
Reiseweg der Deutschen nach Transkaukasien

Ihr Ziel war die kaukasische Provinz Grusinien in Transkaukasien, im heutigen Georgien. Die erste chiliastische1 Auswanderergruppe aus Schwaikheim (49 Familien mit insgesamt 281 Personen) aus dem Oberamt Waiblingen verließ am 23. September 1816 unter der Leitung des Weingärtners Georg Friedrich Fuchs die Heimat und traf ein Jahr später in Tiflis ein.

Auswanderer
Auswanderer

Mit der Abfahrt der Schwaikheimer steigerte sich die Auswanderungseuphorie in Württemberg so sehr, dass sich nun in ver-schiedenen württember-gischen Orten (Marbach, Esslingen, Nagold-Freuden-stadt, Unterweißach, Bö-singen, Weißach, Ötlingen, Walddorf, Plattenhardt, Pliezhausen, Reutlingen, Altbach, Schluchtern, in der Gegend von Nagold und Freudenstadt u.a.) Gruppen von Auswanderungswilligen bildeten, die sich nach der Apostelgeschichte 4, 322 Harmonien3 nannten, denn nach der Apostelgeschichte lebten die Mitglieder der Urgemeinde4 zunächst harmonisch miteinander. Schon im folgenden Jahr begann die große Auswanderungswelle der Chialisten, die bis 1819 anhalten sollte.

Zwischen 1817 und 1819 wurden insgesamt 2.629 schwäbische Chiliasten in Transkaukasien (heute Armenien, Aserbaidschan und Georgien) angesiedelt.

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Kaukasiendeutschen in Helenendorf (heute: Göygöl)
Kaukasiendeutschen in Helenendorf
(heute: Göygöl)

1941 lebten in Georgien über 24.000 deutsche Kolonisten und in Aserbaidschan mehr als 23.000. Im Oktober 1941 erlitten die Kaukasiendeutschen ein änliches Schicksal wie die Wolgadeutschen, die Schwarzmeer-deutschen und die Krimdeutschen: die Depor-tation nach Kasachstan und Sibirien.

Die Häuser der deutschen Siedler wurden an Migranten aus anderen Regionen Transkaukasiens ver-geben. Die evangelisch-lutherische Kirche in Tiflis wurde 1946 von deutschen Kriegsgefangenen abgerissen. Der Friedhof wurde zerstört.

Deportation
Deportation

Viele überlebten die Strapazen der Deportation nicht und die Überlebenden (2.053) durften erst 1979 wieder in ihre Heimat zurückkehren. Auf dem unter Stalin eingeebneten deutschen Friedhof in Bolnissi (Katharinen-feld) steht heute ein Denkmal, das an die deutschen Kolonisten in Georgien erinnert.

Heute gibt es in Tiflis wieder eine deutsche Kirchengemeinde, die die Nachkommen der ehemaligen Kaukasiensiedler sammelt.

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Anmerkungen

1 Chiliasmus oder Millenarismus = (aus dem Griechischen von chilias, 1000); bezeichnet den Glauben an die Wiederkunft Jesu Christi und seine tausendjährige Herrschaft auf Erden am Ende der Weltgeschichte bzw. am Ende allen Unheils, an dem nur die Gerechten teilhaben sollten. Sie gründen sich auf eine Stelle der Johannesoffenbahrung (Offb 1,1; 20, 1-8).
Der Begriff wird auch als Bezeichnung für den Glauben an das nahe Ende der gegenwärtigen Welt verwendet und ist manchmal mit der Erschaffung eines irdischen Paradieses, oder für einen apokalyptischen Fatalismus im Zusammenhang mit einer Jahrtausendwende verbunden.
Spuren des Chiliasmus findet man schon in den ersten Jahrhunderten der Christenheit. Bis weit ins Mittelalter hinein fürchteten die Menschen daher die Jahrtausendwende, die mit der Wiederkunft Christi zugleich den Weltuntergang besiegele. Die meisten protestantischen Reformatoren lehnten den Chiliasmus grundsätzlich ab, doch lebte er im 16. Jahrhundert bei den Täufern und Taboriten wieder auf und im 17. Jahrhundert hingen protestantische Erweckungsbewegungen dem Chiliasmus an. Von dort aus drang er in den Pietismus ein. Heute glauben beispielsweise die Adventisten, die Mormonen und die Zeugen Jehovas an ein Millennium.

2 Apostelgeschichte 4, 32 = Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam

3 Deshalb hatte der radikale Pietistenführer Georg Rapp in Amerika seine am 15. Februar 1805 feierlich gegründete Gemeinschaft “Harmoniegesellschaft“ genannt, deren Grundlage die Gütergemeinschaft und später auch die Ehelosigkeit wurde. So nannte Rapp seine ersten beiden Ansiedlung in Pennsylvanien und Indiana Harmony.

4 Urgemeinde = von der Kirchengeschichtsschreibung geprägte Bezeichnung für die erste christliche Gemeinde; entstanden in Jerusalem im Anschluss an die von den Jüngern erfahrene Auferstehung Jesu Christi (Osterereignis). Gemeindeleiter waren Petrus, Jakobus (Bruder Jesu) und der Apostel Johannes.