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Die Ansiedlungspolitik unter Alexander I.

(Teil 1 von 3)

Die Kolonien bei Mariupol1 am Asowschen Meer

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laner Kolonien bei Mariupol
der Auswanderungsweg
der Deutschen aus Preußen

Nach der Beendigung der Napoleonischen Kriege (1815) setzte der Nachzug kleinerer Auswanderer-gruppen aus Westpreußen (Bezirk Danzig, Kreis Elbing und Marienburg) ein.

Zirka 500 Familien kamen 1818/19 in Gruppen zu 5-6 Familien ohne Führer nach Neurussland, einige legten di lange Strecke sogar zu Fuß zurück. Die Einwanderer wurden zunächst im Jekaterinoslawschen und Taurischen Gouvernement in den dort schon existierenden deutschen Kolonien untergebracht, wo sie sich als Tagelöhner und Handwerker verdingten.

 

Im April 1820 kam vom Fürsorge-Komitee für Ausländische Ansiedler der Befehl an die Preußischen Einwanderer zwei Delegierte aus ihrer Mitte auszuwählen, die ihre Angelegenheiten betreiben könnten. Es wurden der evangelische Christian Klassen und der katholische Johann Majewsky ausgewählt.

russische Steppe
russische Steppe

Gegen Herbst des Jahres 1821 erhielten sie zur Ansiedlung einen Landstrich im Taurischen Gouverne-ment, 33 km vom Mennonitendorf Altona an der Molotschna entfernt, den sie wegen Wassermangel und schlechter Erde ablehnten.

 

Erst im Herbst 1822 wurde ihnen, im Gebiet, das ursprünglich für die Krimgriechen ("Griechenplan2") vor-gesehen war, Land zugewiesen.

Krimtataren
Krimtataren

Die Regierung hatte das Land als Erbgut auf ewige Zeiten geschenkt, doch nicht als persönliches Eigentum, son-dern als Gemeingut3. Jede arbeitsfähige Familie erhielt 60 Desjatinen (65 ha) Land, mehr als vom Ukaz vorgesehen. Alte wie über-haupt alle zu schwerer Arbeit untauglichen Leute durften sich nur als Kleinhäusler, d.h. Haus- und Hofbesitzer ohne Land, niederlassen. Weideplätze, Heuernte, Wald und Ackerland bildeten dagegen gemeinschaftliches Gut.

Gruppen von 26-32 Familien sollten ein Dorf bilden. Selten ging man unter oder über diese Zahl.

Hirtenhütte
Hirtenhütte

Außer vereinzelte elende Hirtenhütten fanden die Siedler keine Herberge vor. Angesichts der wüsten baumlosen Steppe, unter freiem Himmel, weit und breit kein Haus, kein natürlicher Schutz auch nicht für eine Nacht, mag wohl manchen der Mut verlassen haben, als sie daran gehen sollten Haus und Herd zu gründen und aus dem Nichts ihren Unterhalt zu gewinnen.

Aber die Kolonisten hatten nicht nur guten Willen und arbeitsstarke Arme aus ihrer alten Heimat an der Weichsel mitgebracht, sondern auch Kenntnisse, die sie gut verwerten konnten, denn Bodenbeschaffenheit und Klima in der neuen Heimat waren nicht sehr verschieden von denen an der Weichsel.

Erdhütte
Erdhütte

Entschlossen griffen sie denn auch zu Spaten und Schaufel und begannen mit dem Bau einfacher Hütten. Sie gruben Löcher in die Erde, führten niedere Seiten-wände auf, überzogen als vorläufigen Unterschlupf einen Teil des Baues mit "Plänen" (auch Presente genannt: große, grobe Wagendecken). An ihre Stelle traten aber bald Bretter, die man mit Erde überschüttete, so daß nun das Dach dem Unwetter standhielt. So wuchs eine Lehmhütte um die andere aus dem Boden und Gassendorf um Gassendorf entstand.

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Anmerkungen

1 Mariupol = die Stadt, am Ufer des Asowschen Meeres an der Mündung des Kalmius gelegen, wurde 1789 von Krimgriechen gegründet.
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts haben sich einzelne Italiener (Membelli, Gallano) und österreichische Slawen (Widowitsh, Tripkowitsch) wegen der ganz besonders vom Generalgouverneur Woronzow gebotenen Handelsvorteile in den Hafenstädten Mariupol und Berdjansk als Kaufleute oder Schiffer niedergelassen.

2 Griechenplan = Ignatius von Gothia (Fürstentum Theodoro) und Kaffa (Feodossija) († 1786), Metropolit der Krimgiechen, war es nicht gelungen, die von ihm in Aussicht gestellte Zahl von Kolonisten im Verlauf von zehn Jahren in der Krim aufzubringen und ins Mariupoler Gebier zu bringen.
Nach Ablauf der zehnjährigen Steuerfreiheit war ihr Anspruchsrecht auf das nicht besiedelte Land verfallen und viele von den Mariupoler Griechen kehrten nach der Annexion der Krim durch Russland in ihre alte Heimat, die Krim, zurück. Um Massenrückwanderungen zu unterbinden, musste die russische Regierung dafür Maßregeln ergreifen.

3 Gemeingut = die Regierung verfolgte mit der Schenkung des Gemeindegutes einen besonderen Zweck und zwar wollte sie den Massenrückwanderungen, wie sie bei den Bulgaren und Krimgriechen vorgekommen waren, vorbeugen und zugleich die ganze Gemeinde für die Steuerleistungen haftbar machen.