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Die deutschen Siedlungen am Schwarzen Meer

Die Schwarzmeerdeutschen1

1788: Ludwig XVI. verteilt Almosen an arme Bauern
1788: Ludwig XVI.
verteilt Almosen an arme Bauern

Die ersten Siedler waren meist arme Menschen. Es gab auch unmoralische und ungehobelte unter ihnen, oft fehlte der gesunde Menschenverstand, die Voraussicht und die Mittel um eine Siedlung für ihr Wohlergehen und das ihrer Nachkommen zu gründen. Und wenn es einige Ausnahmen gab, war diese Zahl zu klein, um großen Einfluss auf die Mehrheit zu üben.

 

Neurussland
Neurussland

Der 10. und letzte Transport Zieglers2 des Jahres 1803 traf erst im Sommer 1804 in Neurussland ein. Rund zwei Drittel der Gruppe wollten sich in Großliebental, ein Drittel in Odessa, aber niemand auf der Krim niederlassen, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, dass Tataren dorthin gesandte Landsleute getötet hätten.

mehr ...... die Rheinischen Kolonisten
Auswanderung
Auswanderer

In der Zwischenzeit hatte sich auch Major Hans Caspar Escher, ehemaliger Züricher Kaufmann, um Siedler für Neurussland bemüht. Escher stand seit 1792 im Dienst der russischen Armee. Ende Januar 1803 schrieb er an den russischen Innenminister, ob der Zar wohl Interesse an der Einwanderung von Schweizer „Fabrikanten, Landwirten, Handwerkern und einigen Personen aus guter Familie mit etwas Besitz“ hätte.

mehr ...... die Schweizer Aussiedler

 

Nachdem die Kolonien gegründet worden waren, erwartete man nun von den Siedlern, dass sie das Land bestellten. Aber viele von ihnen wussten nichts von Landwirtschaft, weil sie keine Bauern sondern Handwerker waren.

Um die Landwirtschaft und das Handwerk zu fördern, errichtete die russische Regierung z. B. 1807 in Großliebental eine Tuchfabrik, die allerdings unbenutzt blieb, da die Siedler nicht genug guten Willen hatten, um diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.

 

Auswanderer

Hier soll auch darauf hingewiesen werden, dass der Staat sich nicht so viele Zuwanderer erwartet hatte. Die beschwerliche Reise, das neue Klima, die trostlose und unbewohnte Steppe löste bei vielen Heimweh aus. Andere hingegen wurden krank und starben. Andere wiederum versuchten ihren Kummer mit einem extravaganten Leben zu mildern, "indem sie übermäßig fettiges Hammelfleisch aßen und süßen griechischen Wein tranken. Diese Voraussetzungen haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass die Landwirtschaft und das Handwerk so schleppend voran gingen".

mehr ...... die Reisebeschreibung

 

Bauern
Bauern bei der Arbeit

Nach mehreren Jahren Erfahrung in der Landwirtschaft und durch reiche Ernten wurden einige Landwirte so erfolgreich, dass sie begannen Land zu pachten.

1824 gab es jedoch eine Missernte, die zu Hungersnot führte und bis 1827 verwüsteten Heuschrecken-schwärme den ganzen Bezirk. Aufgrund dieser Katastrophen verarmten und verschuldeten sich die Kolonisten.

Das Erdbeben im Jahr 1829 verursachte keine Schäden und die Cholera, die im gleichen Jahr wütete raffte nur wenige Familien dahin. Das Jahr 1833 war eine Katastrophe. Die Kolonisten verschuldeten sich erneut und viele Familien verarmten so stark, dass es Jahre dauerte bis sie sich erholten.

Aber es kamen auch wieder bessere Zeiten. Reiche Ernten und einen schnellen Verkauf der Produkte zu hohen Preisen in der Nähe der Stadt Odessa machten es möglich, dass die Kolonisten ihre Schulden zurückzahlen konnten und ihre Speicher auffüllen konnten.

Aber in diesen „gesegneten“ Jahren wurden viele vom Geist der Extravaganz besessen und vernachlässigten ihre landwirtschaftlichen Betriebe. Viele Kolonisten verschwendeten ihr Geld.

Die lokalen korrupten Behörden waren aber nicht in der Lage einzugreifen und diesem „fröhlichen“ Leben ein Ende zu setzen. Sie selber tranken gerne einen über den Durst in den eingerichteten Weinstuben ihrer eigenen Häusern.

die Pest
die Pest

Zum Glück dauerte dieser Zustand nicht lange, denn 1841 kam eine neue Kreisverwaltung an die Macht. "Durch strenge Überwachung und harte Strafen der lasterhaften Menschen und Säufer wurde das unanständige und unsittliche Benehmen unterdrückt und Ordnung und Anstand wiederhergestellt".

Die Pest, die 1837 ausbrach, forderte viele Opfer unter der Bevölkerung. Es folgten unfruchtbare Erntejahre und im Jahr 1841 sogar eine Missernte. Aber trotzdem stieg der Wohlstand der Bevölkerung erheblich.

 

Hier wurden von 1804-1817 33 Mutterkolonien in vier deutschen Distrikte gegründet: Liebental (1804-1806), Kutschurgan (1808), Glückstal (1808-1810) und Beresan (1809-1817).

deutsche Kolonien im Bezirk Odessa
deutsche Kolonien im Bezirk Odessa

 

Odessagebiet
im Odessagebiet

Zur Erinnerung an die alte Heimat gaben die deutschen Kolonisten ihren Dörfern deutsche Namen, wie Elsaß (1808), Kassel (1808), Rohrbach3 (heute: Novosvitlivka, 1809), Landau (1810), Rastatt (1809), München4 (heute: Porichchya, 1809), Speyer (1809), Stuttgart (1809), Worms (heute: Vynohradne, 1809) usw..

Insgesamt wurden mehr als 500 Kolonien gegründet.

Die deutschen Ortsnamen wurden dann nach dem 2. Weltkrieg mit anderen russischen ersetzt.

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Anmerkungen

1 Schwarzmeerdeutsche = Bezeichnung für die deutschen Kolonisten, die in Neurussland, Bessarabien und in der Dobrudscha (heute rumänisches und bulgarisches Gebiet) siedelten. Die deutsche Kolonien erstreckten sich am Nordufer des Schwarzen Meeres bei Odessa (zwischen den Flüssen Bug und Dnister), auf der Krim (Krimdeutsche) und im Nordkaukasus (Kaukasusdeutsche). Die Schwarzmeerdeutschen sind eine Untergruppe der Russlanddeutschen.
Die planmäßige Besiedlung begann unter Katharina II. und fand unter Alexander I. ihren Höhepunkt. In der späteren Sowjetunion wurden sie dann Russlanddeutsche genannt. Ihr Siedlungsgebiet befindet sich in der Ukraine, in Rumänien und in Moldavien.

2 Franz Ziegler, französischer Offizier, der 1803 Kolonisten auf beiden Seiten des Rheins anwarb.

3 Die evangelische Mutterkolonie Rorhbach wurde 1809 von Familien sus Baden (33), Württemberg (4), Preußisch-Polen (56) und dem Elsass in einem Nebental des Tilgul gegründet. 1813 kamen weitere vier Familien aus Württemberg und 22 aus Preußisch-Polen hinzu. Nach der Revisionsliste von 1816 lebten in der Kolonie 130 Familien. 1817 folgten weitere 16 Familien aus Baden. Dieser Zuwanderung stand eine ständige Abwanderung in andere Kolonien entgegen. Diese Abzugsbewegung, deren Ursache permanenter Landmangel war, hat das Anwachsen der Einwohnerzahl letztendlich aber nicht verhindern können.
Rohrbach gehörte ursprünglich zum Groß-Liebentaler Gebiet und ab 1813, zusammen mit den Kolonien Karlsruhe, Katharinental, Landau, München, Rastatt, Johannestal, Speyer, Sulz, Waterloo und Worms zum Beresaner Gebiet.
1818 zogen zehn Familien in den Kaukasus, 1823 11 Familien nach Odessa und in Nachbardörfer, 1823 zehn Familien nach Besarabien und sieben nach Neudanzig und 1826 11 Familien nach Johannestal. Vier Familien zogen nach Deutschland zurück. Im Jahr 1873 wanderten 400 Personen aus Rohrbach und Worms in die USA aus. Neben dem Ge- meindeland kaufte die Kolonie noch 1.640 Desjatinen, weitere 9.000 Desjatinen wurden gepachtet.
1912 gab es ein Bethaus und zwei Volksschulen mit sieben Lehrern und 465 Schülern sowie einen Konsumverein/-laden. Die medizinische Versorgung übernahm ein Feldscher.
Von 1941 bis 1944 gehörte der Beresaner Bezirk zum rumänischen Besatzungsgebiet Transnistrien und im Frühjahr 1944 wurde die Bevölkerung des Ortes von den SS-Dienststellen als Administrativumsiedler nach Polen in den Warthegau umgesiedelt.

4 Die Mutterkolonie katholische München wurde 1810 von 57 Familien aus Baden, der Rheinpfalz und dem Elsass am Steppenfluss Beresan gegründet. Die Kolonisten gelangten über Böhmen, Schlesien, Mähren und Galizien bis zur Grenzstation Radzwillo. Von dort ging es über Odessa ins eigentliche Siedlungsgebiet. 1816 lebten in München 48 Familien.
Die Kolonie gehörte ursprünglich zum Groß-Liebentaler Gebiet und ab 1813, zusammen mit den Kolonien Karlsruhe, Katharinental, Landau, Johannestal, Rastatt, Rohrbach, Speyer, Sulz, Waterloo und Worms, zum Beresaner Gebiet, das eine Landfläche von 55.597 Desjatinen umfasste und seinen Verwaltungssitz in Landau hatte.
Die erste Kirche wurde 1816 erbaut, die 1872 durch einen größeren Neubau ersetzt wurde. Zwischen 1810 und 1890 bildeten München und Rastatt gemeinsam eine Pfarrei des Dekanats Nikolajew.
1890 wurde die Pfarrei München gegründet, zu der die Chutore Dworjanka, Nowoselewka, Karlewka, Domanewka, Bogdanowka, Nowonikolajewka, Lerisk, Ljuboalexandrowka, Christorofka, Kapitanowka, Gardegai, Klundowo, Slepucha, Wolkow, Kawkas, Grisa, Selingera, Kratowka und Heck gehörten. 1914 gehörten insgesamt 3.550 Eingepfarrte zum Kirchspiel, 1919 waren es 1.737.
Die Kolonie litt unter großem Wassermangel und wurde mehrmals von Viehseuchen und Naturkatastrophen heimgesucht. So fiel 1825 fast der gesamte Viehbestand einer Seuche zum Opfer; ein völliger Ertragsausfall brachte die Siedler 1834 fast an den Bettelstab; 1838 war München von einem Erdbeben betroffen.
Von 1941 bis 1944 gehörte der Beresaner Bezirk zum rumänischen Besatzungsgebiet Transnistrien und im Frühjahr 1944 wurde die Bevölkerung des Ortes von den SS-Dienststellen als Administrativumsiedler nach Polen in den Warthegau umgesiedelt.