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Die „rheinischen“ Kolonisten von 1803

(Teil 3 von 3)

Ankunft in Russland

Herzog Armand de Richelieu
Herzog Armand de Richelieu

Weder die Regierung in St. Petersburg noch die Verwaltung in Odessa war auf die Kolonisten gut vorbereitet.

Herzog Armand de Richelieu1, Gou-verneur von Neurussland, warf der Verwaltung vor, keinerlei Vor-bereitungen getroffen zu haben und dass die Einwanderer in Dubossary so behandelt worden seien, als kämen sie aus einem Land, in dem die Pest wüte. Er bedauerte auch, dass die Kolonisten nicht sofort angesiedelt werden konnten. Unter den „rheinischen“ Kolonisten befanden sich viele Bauern- und Handwerkerfamilien, die anderen zum Vorbild hätten sein können!

Samuel Kontenius
Samuel Kontenius

Zar Alexander I. bedauerte den Vorfall, übertrug Richelieu die Leitung der Ansiedlung der Kolonisten und trug ihm auf, dafür zu sorgen, dass den Kolonisten nichts fehle. Denn vom Erfolg der Ansiedlung der ersten Kolonien hing die Aussicht für eine Erweiterung der Ansiedlung ab. Richelieu und der Staatsrat Samuel Kontenius2 sollten alles tun, damit die Kolonisten nicht bedauerten, ihre Heimat verlassen zu haben.

 

Neurussland
Neurussland

1803/04 wanderten insgesamt 2.990 Personen in Neurussland, der späteren Ukraine, ein. Im Auftrag des Zaren kaufte Herzog Richelieu (Ukas vom 17.10.1803) in Kherson in der Umgebung Odessas Land auf (fast 26.000 Desjatinen), das für die Anlage der Kolonien zur Verfügung ge-stellt wurde3. Bis 1808 wurden hier zirka 2.563 Familien (13.337 Personen) angesiedelt.

Insgesamt wurden für die Anlage der Kolonien von Februar 1804 bis November 1809 rund 71.900 Desjatinen4 Land zur Verfügung gestellt.

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Anmerkungen

1 Armand Emmanuel du Plessis, Herzog von Richelieu (* 25. September 1766 in Paris; † 17. Mai 1822) war ein französischer Politiker, Diplomat und Royalist. Er war ein Sohn von Herzog von Fronsac und Enkel des Marschalls de Richelieu, der Ur-Urenkel des Kardinal Richelieus.
Um die Probleme der Französischen Revolution mit dem älteren Bruder Joseph II. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Herrscher der Habsburgerländer) zu besprechen, schickte ihn die Königin Marie-Antoinette 1790 nach Wien. Bevor er eintraf starb Joseph II.
Riechelieu verblieb in Wien. Für diesen Aufenthalt wurde er in die Liste der Émigré (französischer Begriff für royalistische und protestantische Flüchtlinge während der Französischen Revolution).
Zusammen mit seinem Freund Prinz Charles de Ligne trat er als Freiwilliger in die russische Armee ein; am 21. November erreichte er das russische Hauptquartier in Bender. Er nahm an der Eroberung Ismails teil und erhielt von der Zarin Katharina II das Sankt-Georgskreuz und ein goldenes Schwert.
Zar Alexander I., Nachfolger Katharinas II. und Pauls I., bot den Émigré Offiziersstellen in seiner Armee an. Richelieu akzeptierte und stieg zum Generalmajor auf, wurde aber durch Intrigen von seinen Feinden zum Rücktritt gezwungen. Auf Anfrage der russischen Regierung wurde sein Name aus der Emigrantenliste (Liste der Personen, die während der Französischen Revolution geflohen waren) gelöscht.
1803 wurde er Statthalter von Odessa. Zwei Jahre später wurde er Generalstatthalter von Cherson, Jekaterinoslaw und der Krim, zu der Zeit Neurussland genannt und kümmerte sich um alle Belange einer Region, die sich vom Dnister bis zum Kuban erstreckte. In den elf Jahren seiner Verwaltung wuchs Odessa von einem ärmlichen Dorf zu einer wichtigen Stadt.
Er kommandierte im türkischen Krieg von 1806/07 eine Division und war häufig mit Expeditionen in den Kaukasus beschäftigt. Er organisierte den Ausbau der Häfen und Festungen Cherson, Kinburn, Sewastopol und Odessa.
Von 1804 bis zu seiner Abreise nach Frankreich im Jahr 1814 hatte er die Oberaufsicht über die ausländische Kolonisation Neurussland inne. Richelieu und Staatsrat Samuel Kontenius kümmerten sich gemeinsam, jeder im Rahmen seiner Zuständigkeit, um die Kolonisten. Diese Verbindung bestand auch dann fort, als Richelieu 1814 Ministerpräsident Frankreichs wurde.

2Samuel Kontenius war eine der bekanntesten Persönlichkeiten unter den Deutschen im Russischen Reich des 19. Jahrhunderts. Über 30 Jahre lang kümmerte er sich mit viel Einsatz um die Kolonisten. Seine Herkunft ist bis heute nicht geklärt. Er soll 1749 in der Familie des Pastors Christian Kontenius das Licht der Welt erblickt haben. In einigen Quellen wird Schlesien, in anderen Westfalen als seine Heimat genannt. 1798 wurde er mit der Inspektion der Ausländerkolonien in Klein- und Neurussland betraut. Er organisierte die Ansiedlung der deutschen Kolonisten in den verschiedenen Gebieten Neurusslands und sorgte auch für die Entwicklung der Kolonien, indem er sie in allen Lebensbereichen beriet. Contenius führte seine Tätigkeit bis zum Jahre 1818 fort. In diesem Jahr wurde das „Vormundschaftskontor für die ausländischen Ansiedler in Jekaterinoslaw“ umorganisiert und in „Fürsorgekomitee für ausländische Ansiedler“ umgetauft. Contenius dankte ab. Sein Nachfolger wurde General Inzow. Contenius blieb als Berater des Generals bis zu seinem Tod im Jahr 1830 tätig.

2 Landaufkauf = Alexanders Vorgängerin, Katharina II. hatte an Aristokraten, Beamte und Kaufleute große Ländereien verschenkt, die aber ihrer Verpflichtung zu deren Besiedlung nur in geringem Umfang nachkamen. So musste die Staatskasse immer wieder Grundstücke zurückkaufen, um neue Kolonien anlegen zu können. Das war dann auch der Grund, dass die Siedler gleich nach ihrer Ankunft in provisorischen Unterkünften untergebracht wurden und das mit einer Erhöhung ihrer Schulden gegenüber der Staatskasse büßen mussten.

3 1 Desjatine = alte russ. Flächeneinheit, entspricht ungefähr 1,0925 ha.