Du bist in: Deutsche in Russland > Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert >Peter der Große

Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

Der 2. und letzte Aufstand der Strelitzen1 (1698)

(Teil 3 von 3)

Peter beauftragte die von Alexei I. gegründete Geheime Kanzlei mit der gerichtlichen Untersuchung des Strelitzenaufstandes mit Folter und Knute, besonders um zu erfahren, ob seine Halbschwester Sofia wieder mit im Spiel gewesen sei, was aber keiner gestand, doch nicht unwahrscheinlich ist.

Vasily Ivanovich Surikov: nach dem Strelitzenaufstand 1697
Wassili I. Surikow: am Morgen der Strelitzenhinrichtung
(Sept.1698; nach seiner Rückkehr aus Westeuropa ließ Peter I.die aufständischen Strelitzen hinrichten).

 

Mit besonderer Grausamkeit ging der Zar gegen die rebellierenden Strelitzen1 vor, jene einstige Leibwache, die ihm seit dem Massaker von 1682 verhasst war.

Rädern
Rädern

Peter setzte eine Vernichtungsaktion in Gang, die mehrere Monate andauerte und in ihrem Ausmaß bislang nicht ihresgleichen hatte. Es wurde Tag und Nacht verhört und gefoltert, gehängt, gerädert und geköpft. Von Oktober 1698 bis Februar 1699 wurden über 1.000 Personen öffentlich exekutiert.

Die Leichen oder deren Köpfe wurden auf den Toren und Mauern Moskaus der Verwesung überlassen; viele Körper mussten bis zu ihrer Auflösung am Galgen hängen bleiben.

Viele Tausende verloren auf diese Art ihr Leben, andere wurden nach Sibirien, Astrachan, Asow usw. verbannt, das Korps der Strelitzen für immer aufgehoben und sogar der Name abgeschafft und für ehrlos erklärt.

 

So berichtet Johann Georg Korb2 in seinem „Tagebuch der Reise nach Russland” von der Massenhinrichtung:

„Auf der einen Seite des Flusses Jausa erwarteten 100 Verurteilte auf den kleinen russischen Wagen, die dort Sbosek heißen, den Augenblick der Hinrichtung. So viele Verurteilte, so viele Wagen und so viele Posten. .......... 330 wurden gleich auf einmal zu dem tödlichen Beilhieb geführt und röteten die ganze Fläche mit ihrem Blut, Bürgerblut, aber verruchtes. Denn alle Bojaren, Reichssenatoren, Räte und Sekretäre, die an der gegen die aufständischen Strelitzen veranstalteten Sitzung teilnahmen, wurden durch einen Befehl des Zaren nach Babraschensko gerufen und mussten sich dem Henkersdienst unterziehen. Alle schlugen mit unsicherem Schwung zu, da ihre Hände bei dem neuen, ungewohnten Amt zitterten. Den unglücklichsten Streich von allen tat der Bojar, dessen Schwert den Hals verfehlte, den Rücken traf, den Strelitzen fast mitten entzweischnitt und seine Schmerzen bis zur Verzweiflung gesteigert hätte, wenn nicht Alexaska mit dem Beil den Hals des unglücklichen Sünders besser getroffen hätte.”

 

Jewdokija Fjodorowna Lopuchina
Jewdokija Fjodorowna Lopuchina

Während der Niederschlagung des Strelitzenaufstandes 1698 verdächtigte Peter der Große auch seine erste Frau Jewdokija Fjodorowna Lopuchina der Teilnahme an der Verschwörung und verbannte sie 1698 ins Kloster Susdal, wo sie unter dem Namen Helene lebte. 1727, nach fast 20 Jahren kehrte sie nochmals an den russischen Hof zurück, wo sie am 27. August 1731 verstarb.

 

Das Kloster in Susdal, wo Jewdokija zwanzig Jahre lang eingekerkert war
Das Kloster in Susdal, wo Jewdokija zwanzig Jahre lang eingekerkert war

 

Nach der Vernichtung der Strelitzen1 standen Peters Plänen nichts mehr im Wege. Er führte umfassende Reformmaßnahmen ein, die den Bruch mit der Vergangenheit und den altertümlichen moskowitischen Lebensformen bedeuteten. Möglichst rasch und gründlich wollte er das halbasiatische Russland in einen europäischen Kulturstaat umwandeln.

lineAnmerkungen

indietro 1 2 3 avanti

1 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.

2 Johann Georg Korb kam nach seinem Jurastudium nach Wien in den kaiserlichen Hofdienst. Als kaiserlicher Gesandter begab sich Korb im Januar 1698 an den russischen Hof des Zaren Peter des Großen nach Moskau. Vom ersten Tag an führte er zwei Jahre lang ein Tagebuch, das 1700 in lateinischer Sprache erschien. Ungeschminkt berichtete er von den Folterungen und Hinrichtungen in Moskau und Petersburg.
Der Zar war so erzürnt, dass er bis auf 52 Exemplare alle Bücher Korbs aufkaufte und auf dem Platz vor dem Kreml verbrennen ließ. Korb, für den österreichischen Kaiserhof nicht mehr tragbar, musste eine neue Laufbahn einschlagen. Ab 1701 war er in Diensten des Fürsten Christian August zu Sulzbach. Er starb am 15. November 1741.