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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert unter Alexei I.

(Teil 5 von 5)

Der 2. große Kosakenaufstand unter Stenka Rasin (1667-1671)

Patriarch Nikon
Patriarch Nikon

Gleich nach der Absetzung des Moskauer Patriarchen Nikon 1666 und dem Abschluss des Friedens mit Polen zu Andrussowo im Januar 1667, beklagten sich die Wojewoden der unteren Wolgastädte beim Zaren Alexei I. über Räubereien, die in jenen Gegenden von donschen Kosaken und aus der Ukraine entlaufenen Bauern verübt wurden. Moskau ergriff aber keine Maßnahmen dagegen.

 

Der Russisch-Polnische Krieg (1654–56, 1658–67) und der russisch-schwedische Krieg (1656-1658) stellten hohe Anforderungen an die Menschen in Russland. Die Steuern stiegen ebenso wie die Wehrpflicht und so flohen viele leibeigene Bauern ins "wilde Feld", wie der Süden Russlands genannt wurde.

Durch die wachsenden Flüchtlingsströme herrschte in jenen Jahren am Don ein furchtbares Gedränge, das zu gewissen Problemen führte. Moskau forderte immer energischer von der kosakischen Führungsschicht die Rückführung der Flüchtlinge.

 

1649 war das erste umfassende Gesetzbuch (Sobornoje Uloschenije) geschaffen worden, das u. a. die Leibeigenschaft der russischen Bauern ausweitete. Wie vor 1649 führte die Regierung Stichjahre für die Verjährung der geflohenen Bauern ein und ließ in großem Stil Zehntausende zurückholen.

Durch die 1666 ausgebrochene Hungersnot verschlimmerte sich die Situation und verstärkte die Unruhe am Don.

Stenka Rasin
Stenka Rsain

Als der Ataman Rasin (ältester Bruder von Stenka Rasin) auf Befehl des Fürsten Juri Alexeiowitsch Dolgorukis, rus-sischer Feldherr im Russisch-Polnischen Krieg, gehängt wurde, schwuren seine entrüsteten Brüder Stenka oder Stepan und Frolka den Russen Rache.

Im Frühjahr 1667 rief der eher wohlhabende Donkosake Stenka Rasin (Stepan Razin) zu einem Raubzug ins Kaspische Meer auf.

1668/69 bemächtigte er sich mit zunächst ungefähr 2.000 Männern der das Kaspische Meer beherrschenden Länder; plünderte und verheerte viele Küstenstädte am osmanischen und persischen Ufer und schlug mit gleichem Erfolg die gegen ihn ausgeschickten persischen Flotten und russischen Heere zurück.

 

Im Herbst 1669 kehrte er mit reicher Beute an den Don zurück. Die von Moskau gegen ihn eingesetzten Strelitzen1 hatten sich als unzuverlässig erwiesen und den Wojewoden von Astrachan hatte Razin bestochen, um wieder in die Wolga hineingelassen zu werden.

Wassilij Iwanowitsch Surikow: Stepan Rasin
Wassilij Iwanowitsch Surikow: Stepan Rasin

 

1670 verlegte Rasin den Schauplatz seiner Taten in das Herz Russlands und begann die Wolga stromauf zu ziehen, um die Leibeigenschaft mitsamt den sie tragenden Bojaren2 auszurotten. Er erklärte sich für ein Werkzeug Gottes und wiegelte den ganzen südostlichen Teil des Zarenreiches auf.

Der kosakischen Kerntruppe seiner Schar schlossen sich schnell Bauern, Altorthodoxen sowie andere religiöse und ethnische Minderheiten, wie Tataren, Mordwinen, Tschuwaschen an. Rasins Heer, zu jener Zeit auf 200.000 Mann angewachsen, eroberte mehrere Städte, so dass die Aufständischen für kurze Zeit weite Teile Südrusslands kontrollierten.

Ausdehnung des Kosakenaufstandes unter Stenka Rasin
Ausdehnung des Kosakenaufstandes unter Stenka Rasin

 

Der revolutionäre antirussische Volksaufstand zeichnete sich durch ungewöhnliche Wildheit und Grausamkeit aus und dehnte sich bald zu einer grossen Bauern- und Kosakenrevolte aus.

 

Vierteilung
Vierteilung

Ziel war die Umkehrung der sozialen Rollen aufgrund der enormen sozialen Span-nungen im Lande.

Vom Dienstadel wurde Rasin weiter nach Süden ab-gedrängt, schließlich von Kosaken aus seinem Gefolge gefangengenommen und dem Zaren ausgeliefert. Man verurteilte ihn zum Tode durch Vierteilung. Die Hinrichtung fand am 6. Juni 1671, am Tag der Urteils-verkündung, auf dem Roten Platz in Moskau statt. Stenka Rasin wird noch heute als Held in mehreren russischen Liedern besungen.

 

Der Zar selbst konnte am Ende seines Lebens die innenpolitische Entwicklung im Gegensatz zum außenpolitischen Triumph über Polen nicht als besonders glücklich empfinden. Die städtischen, bäuerlichen und sogar kirchlichen Aufstände zeugten von einer großen Unruhe der Gesellschaft und die immer stärkere Infiltration westlichen Gedankenguts mochte als drohend erscheinen. Die Unsicherheit des Zaren zeigte sich darin, dass er bereits aufgestellte Orgeln aus den Kirchen wieder verbannte, den Tabakgenuss verbot und rasierte Adlige degradierte.

 

Zar Alexei Michailowitsch regierte 31 Jahre und starb plötzlich am 29. Januar 1676 nach einem Krankenlager von nur 7 Tagen im Alter von 47 Jahren. Er hinterließ 16 Kinder aus zwei Ehen. Nachfolger wurde sein 3. Sohn Fjodor.

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Anmerkungen

1 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.

2Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.