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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert unter Alexei I.
(Teil 3 von 5)
Der russisch-polnische Krieg (1654–56, 1658–67)
Alexei I. nannte sich seit dem Bündnisschlusses 1654 mit den ukrainischen Kosaken (Saporoger Kosaken) bei der Rada von Perejaslaw "Selbstherrscher von ganz Groß- und Kleinrussland", obwohl dieses Land erst mit dem Schwert erkämpft werden musste.
Michael Khmelko:
auf der Kosakenrada von Perejaslaw leisteten die Kosaken unter Bestätigung ihrer Privilegien den Treueid auf den Zaren
Der Aufstand von Bohdan Chmelnizki lag ganz im Interesse der Moskauer Regierung, um die offene Rechnung mit Polen seit den Smuta-Folgekriegen zu begleichen. Die Erfolge der ukrainischen Kosaken und die Schwäche Polens ermutigten Zar Alexei zum entscheidenden Schlag gegen die Adelsrepublik auszuholen. Um gegen Polen ins Feld zu ziehen, warb der Zar Offiziere, Techniker und andere Spezialisten aus Westeuropa an.
Alexei I.
Im April 1654 begann Alexei den Krieg mit Polen. Zwei zahlreiche russische Heere rückten ins Feld: das eine nach Litauen, die Zielscheibe des Strebens russischer Herrscher, das andere in die Ukraine, das Grenzland zur Steppe. Bei dem litauischen Heer war Alexei selbst anwesend.
Die Polen hatten sich so wenig auf den Krieg vorbereitet, dass sie in kurzem Dorogobusch bei Smolensk, Newel bei Pskow und Polozk verloren. Hierauf rückte der Zar (Anfang Juli) mit dem größeren Teil der Armee vor Ssmolensk. Diese wohlbefestigte Stadt hatte eine Besatzung von 2.000 Soldaten und 4.000 Adeligen. Den Befehlshabern der russischen Armee standen kriegskundige Ausländer, wie Italiener, Niederländer, Franzosen usw. zur Seite.
January Suchodolski:
Stefan Czarniecki, Oberbefehlshaber der polnischen Armee, im russisch-polnischen Krieg
Am 10. September 1654 erfolgte die Übergabe dieser wichtigen Stadt, die während des Polnisch–Russischen Krieges im Jahr 1611 von polnisch-litauischen Truppen annektiert wurde.
Russland gelang es in diesem 1. Feldzug (1654/1656) das Gebiet bis zum Dnepr im Osten und bis zur Düna im Norden unter seine Gewalt zu bringen.
Karl X. Gustav
Durch den russischen Vormarsch beunruhigt, fiel das protestantische Schweden unter Karl X. Gustav im Juli 1656 in das katholische Polen ein, um Schwedens Herrschaft im Norden für immer zu befestigen und die Unterwerfung der Ostseeküsten zu vollenden. Dieser gleichzeitige schwedische Angriff brachte Polen an den Rand seiner Existenz.
Polen und Russland schlossen 1656 im Vertrag von Niemież einen vorläufigen Waffenstillstand und einen Bund gegen Schweden, um gemeinsam gegen die drohende schwedische Vorherrschaft anzukämpfen, während Chmelnizki in Verhandlungen mit Schweden trat. Nach dem 1657 eingetretenen Tod Chmelnizki paktierte der neue Hetman sogar wieder mit Polen-Litauen.
Polen-Litauen in den Grenzen vor 1660
Der vorläufige Frieden veranlasste die Besatzungsmacht Handwerker sowie junge Männer und Frauen aus den eroberten Gebieten zu zwingen ins Moskauer Reich umzusiedeln. Jeder russische Gutsbesitzer konnte bei den Heerführern des Zaren für 3 - 5 Rubel Gefangene kaufen. Während sich die örtliche Bevölkerung dezimierte, siedelte der Zar seine Landwehr an, für deren Kolonien er Sondermittel zur Verfügung stellte.
Die anhaltenden Kriegshandlungen und Plünderungen führten aber zur Verwüstung und Verödung der eroberten Gebiete.
So berichtet 1655 der Augenzeuge Stefan Medezka, dass "die Straßen voll von Leichen, die Dörfer, Städte und Gutshäuser niedergebrannt seien".
D. Beyrau, R. Lindner: Handbuch der Geschichte
Weißrusslands,
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen,
2001, S. 108;
Der Russish-Schwedische Krieg (1656-1658)
russische Strelitzen im 17. Jahrhundert
Alexei zog immer mehr ausländische Truppen in seine Dienste und fiel 1656 mit einem 100.000 Mann starken Heer in das schwedische Livland ein. Der Krieg gegen Schweden (1656-1658) verlief aber weniger erfolgreich für Russland, denn Alexei er-oberte zwar einen großen Teil Livlands und Ingermanlands, musste aber diese so sehr erstrebten Gebiete im Frieden von Kardis (21. Juni 1661) wieder zurückgeben.
Friedensvertrag von Andrussow
Nach der Vertreibung der Schweden aus Polen begannen 1659 neue Feindseligkeiten und gleich darauf brach wieder der Krieg mit Polen aus, der unter manchem Wechsel der Siege und Niederlagen, mit vielen schweren Opfern noch 6 Jahre dauerte, bis er durch den auf 13 Jahre geschlossenen Waffen-stillstand im Friedensvertrag von Andrussowo 1667 seine Ende fand. Das Hetmanat der Saporoger Kosaken wurde unter Russland und Polen aufgeteilt. Von nun an hatten es Russland und Polen ständig mit dem Widerstand der Kosaken gegen die Fremdherrschaft zu tun.
Der Vertrag von Andrussowo war ein Wendepunkt in den polnisch-russischen Beziehungen und beendete die jahrhundertelange polnisch-litauische Vorherrschaft in Osteuropa zu Gunsten des russischen Zarenreichs.
Nadia Somko: Schlacht bei Konotop (1659)
In zwei Feldzügen gegen Polen (1654-1656 und 1660-1667) gewann Russland neben Smolensk, auch die Ukraine (östlich des Dnjepr) einschließlich der Stadt Kiew, den alten Herr-schersitz der Nachkommen Ruriks, zurück; außerdem dehnte er die russische Herrschaft im Osten bis an die Grenzen zu China aus.
Wenn Alexei die Seele der kriegerischen Unternehmungen war, so war er nicht weniger die der neuen Reform im Innern des Landes.
1 Die Polnisch-Litauische Union bezieht sich auf eine Reihe von Rechtsakten und Allianzen zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen, die über 400 Jahre bestanden und zur Errichtung des Staates Polen-Litauen 1569 führten und bis 1791 in Mittel- und Osteuropa bestand. Die beiden namensgebenden Länder waren das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen. Das Gebiet umfasste in seiner größten territorialen Ausdehnung um 1600 die heutigen Staatsgebiete von Polen, Litauen, Lettland, Weißrussland sowie Teile Russlands, Estlands, Rumäniens und der Ukraine.