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Der Einfluss von Byzanz auf die Kiewer Rus1

Außergewöhnlich tiefer und nachhaltiger als der Einfluss der Normannen2 war der von Byzanz auf Russland; nicht nur auf dem Gebiet des kirchlichen Lebens, sondern auch auf dem Gebiet der Literatur, der Wissenschaft, der Kunst und zum Teil auch des wirtschaftlichen Lebens.

Wappen des Byzantinisches Reiches
Wappen des Byzantinisches Reiches

Schon im 9. Jahrhundert kamen die Rus mit Byzanz in Kontakt, wodurch sich, trotz immer wiederkehrender Versuche von Seiten der Rus, Konstantinopel3 zu erobern, intensive wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zwische dem Byzantinischen Reich und dem Reich der Kiewer Rus entwickelten, die zur christlichen Missionierung und 988 zum Übertritt der Rus zum byzantinisch-orthodoxen Glauben führten, was von da an die religiöse Zugehörigkeit Russlands prägte.

Byzantinisches Reich um 1025
Byzantinisches Reich um 1025
Byzantinisches Kreuz
Byzantinisches Kreuz

 

Von griechischen Bischöfen (Metropoliten) und Missionaren ist in der Folgezeit die byzantinisch-christliche Schriftkultur nach Kiew gebracht worden, griechische Architekten und Künstler sorgten für den Bau und die Ausgestaltung von Kirchen und Klöstern in den Fürstenresidenzen der Dnjeprregion.

Zum geistigen Zentrum der Klosterkultur entwickelte sich die Mönchsgemeinschaft des Kiewer Höhlenklosters.

Als Geistliche und Lehrer, als Gelehrte und Schriftsteller nahmen die Griechen jahrhundertelang die wichtigsten Stellen ein; sie beherrschten und beeinflussten die verschiedenen sozialen Kreise.

Alles Mönchstum in Russland, das weit über das religiöse Leben hinaus den Charakter der russischen Gesellschaft bestimmen halfen, ist auf byzantinischen Einfluss zurückzuführen.

 

Kiewer Rus
Kiewer Rus um das Jahr 1000
Jaroslaw I.
Jaroslaw I.

Auch wenn die Annahme des byzantinischen Christentums (978 – 1015) Russland eine kulturelle Beziehung zum römischen Christentum verschloss, so sind dennoch schon zur Zeit der Kiewer Rus, ab Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhunderts Handelsbeziehungen zwischen Russen und Westeuropa urkundlich überliefert.

 

Die freundschaftlichen Beziehungen Russlands zu westeuropäischen Staaten entwickelten sich besonders Anfang des 11. Jahrhunderts unter der Herrschaft Jaroslaws I., auch der Weise genannt, aus dem Geschlecht der Rurikiden (1019 – 1044), dessen 40-jährige Regierung in dieser Hinsicht ein ganzes System friedlicher internationaler Kombinationen, auf der Grundlage weitverzweigter Eheverbindungen des fürstlichen Hauses, hervorbrachte.

Als Folge dieser Politik waren die Fürsten von Kiew im 11. Jahrhundert verwandt und verschwägert mit den Königen von Schweden, mit Norwegen, Polen, Ungarn, Böhmen und deutschen Dynastengeschlechtern.

 

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Anmerkungen

1 Kiewer Rus = mittelalterliches Großreich mit Zentrum in Kiew. Es wird als Vorläuferstaat der heutigen Staaten Russland, Ukraine (das Grenzland zur Steppe) und Weißrussland angesehen.

2 Normannen = im weiteren Sinn alle Wikinger, die in Scharen als Händler, Krieger, Entdecker, Siedler und in der Folge manchmal auch als Staatengründer in Westeuropa auftraten und damit vorübergehend oder auf Dauer ihre nordeuropäische Heimat (Norwegen und Dänemark) verließen; in Osteuropa bis zum Kaspischen Meer sowie bis Byzanz waren sie als Rus und Waräger bekannt, die überwiegend aus Schweden kamen.

3 Konstantinopel = alter Name der heutigen am Bosporus gelegenen Stadt İstanbul in der Türkei.
Der römische Kaiser Konstantin I., genannt Konstantin der Große, machte die eher kleine griechische Kolonialstadt Byzantion (Byzanz) im Jahre 330 zur Hauptstadt des Römischen Reiches und nannte sie "Nova Roma" (Das zweite Rom). Nach seinem Tode benannte man sie zu seinen Ehren in Konstantinopel um.
Konstantinopel war lange das Zentrum der Christenheit. Sie verband das Erbe der Römer mit der Philosophie der Griechen und dem Glauben der Kirchenväter. Im 12. Jahrhundert hatte Konstantinopel 1 Million Einwohner, die größte Stadt der Welt; 300 Jahre später lebten dort nur noch 50.000 Menschen. Die Perle der Christenheit hatte ihren Glanz verloren.