Die Deutsche Ostsiedlung
19. Jahrhundert
Alexander I.
Alexander I., der Enkel Katharinas II. setzte die Strategie seiner Vorgänger, russische dünn besiedelte Grenzregionen mit ausländischen Kolonisten zu besiedeln, fort.
Die Zaren dehnten systematisch ihren Machtbereich in Richtung Schwarzes Meer und zum Kaukasus hin aus. Diese Eroberungen erfolgten auf Kosten des Osmanischen Reiches, wobei sich der Zar als Beschützer der bis dahin unter türkischer Herrschaft lebenden Christen verstand.
In die Umgebung um Odessa (Liebentaler-, Beresaner-, Kutschurganer- und Glückstaler Gebiet), auf die Krim, am Fluss Molotschnaja, nach Bessarabien, in den Kaukasus (Nordkaukasus, Georgien, Aserbaidschan, Armenien), Kirgisistan1, Sibirien2 u. a. zogen viele deutsche verarmte Bauern und Handwerker, nachdem Alexander I. (1804) mit seinem Ansiedlungsmanifest Kolonisten große Vergünstigungen zugesagt hatte.
der Lokator fungiert im Dorf als Richter
Auch dieses Mal holten Siedlungsunternehmer, Lokatoren genannt, gegen besondere Vergünstigungen bäuerliche oder bürgerliche Siedler ins Land, organi-sierten die Ansiedlung und leiteten das Gemeinwesen.
Deutsche Siedlungsgebiete im 19. Jahrhundert
1 Kirgisistandeutsche =
Erste deutsche Spuren in Kirgisistan gehen auf die Jahre um 1860 zurück,
als Russland die zentralasiatischen Khanate eroberte. Damals ließen
sich vereinzelt auch einige Deutsche, meist Lutheraner aus dem Baltikum,
als Fachleute in Mittelasien nieder.
Nach der Einführung der 6-jährigen Wehrpflicht 1871 bekamen strenggläubige
Russlandmennoniten aus dem Wolgagebiet und der Südukraine 1880 die Erlaubnis
nach Turkestan auszuwandern. 1920 lebten bereits 4.000 Deutsche in Kirgisistan.
In den 1930er Jahren wuchs die Zahl der deutschen Bevölkerung wegen der
Hungersnot in Russland (Zentralasien blieb davon verschont) und der Deportation
von deutschen Großbauern an der Wolga noch mehr an, da sie im Rahmen der
Zwangskollektivierung unter Stalin als Kulaken diffamiert,
enteignet und zwangsausgesiedelt wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwischen 1946 und 1948 viele Wolgadeutsche,
Krimtataren und später auch weitere, dem Sowjet-Regime unliebsame Personenkreise
nach Mailuusuu (Industriestadt im Süden Kirgisistans) deportiert. Viele
wurden auch als sogenannte „Repatrianten“ aus dem besetzten Deutschland
deportiert, um in der Gegend um Mailuusuu im Uranbergbau zu arbeiten. Anfang
des 21. Jahrhunderts wurde Mailuusuu als eine der gefährlichsten und verseuchtesten
Stellen der Erde identifiziert.
Nach der Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 emigrierten die meisten
Kirgisistandeutschen (fast 100.000) nach Deutschland, der Heimat ihrer Vorfahren.
2 Sibiriendeutsche =
die ersten Deutschen kamen schon im 18. Jahrhundert als Soldaten nach
Sibirien, um den russischen Zaren zu dienen. Um 1890 kamen dann die ersten
deutschen Bauern nach Sibirien, unter ihnen zahlreiche Mennoniten. Bis
1920 stieg die Zahl der Sibiriendeutschen auf ca. 77.000.
In dem Maße, wie die Spannungen zwischen Deutschland und Russland wuchsen,
verschlechterte sich ihre wirtschaftliche und politische Lage. Da sie sich während
des 1. Weltkrieges permanent von der Liquidation ihres Landbesitzes bedroht fühlten,
sollen die Sibiriendeutschen, der Revolution von 1917 zunächst durchaus
wohlwollend gegenüber gestanden haben. Ihre Erwartungen wurden jedoch bitter
enttäuscht.
Der wohlhabende Eindruck, den die deutschen Dörfer auf die lokalen Machthaber
erzeugten, führte dazu, dass den Deutschen überdurchschnittliche Ablieferungsquoten
für ihre landwirtschaftlichen Produkte auferlegt wurden. Im Zusammenspiel
mit aufeinanderfolgenden Missernten bewirkte dies, dass sie zwischen 1920 und
1924 nur mit Hilfe des amerikanischen Mennonitischen Zentralkomitees überleben
konnten. Trotz geringfügiger wirtschaftlicher Erholung setzte sich auch
in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre die Drangsalierung der Sibiriendeutschen
fort.
Durch die einsetzende Kollektivierung der Landwirtschaft, setzte 1928/1929 eine
enorme Ausreisewelle in Gang. Allerdings konnten wegen der Aufnahmeverweigerung
der kanadischen Regierung und des Zögerns Deutschlands tatsächlich
nur 5.700 Sibiriendeutsche, weniger als 8% der Gesamtzahl, die Sowjetunion verlassen.
Die Sibiriendeutschen wurden im Zweiten Weltkrieg, im Gegensatz zu anderen Russlanddeutschen,
nicht deportiert, im Gegenteil Sibirien war ja ein Ort der Deportation, wohin
andere ethnische Russlanddeutsche deportiert wurden. Dort wohnen derzeit mehr
als 100.000 Russlanddeutsche.