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Migrationsbewegungen
(Teil 2 von 2)
Südwestdeutschland im 17. Jahrhundert
n der Epoche der Konfessionalisierung1 (etwa 1555 – 1648) mussten viele ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen: Wer nicht zur Konfession seines Landesherren übertreten wollte („cuius regio, eius religio“), wurde seit dem Augsburger Religionsfrieden2 (1555) das „Recht“ eingeräumt, in ein Territorium seines Glaubens auzuwandern. Das betraf zum Beispiel die Protestanten in Böhmen, die von 1623 bis 1680 in die Fremde ziehen mussten.
das Edikt von Nantes
Ab 1669, mit Höhepunkt 1685, sind die Emigrationen der Hugenotten auffallend.
1685 widerrief der französische König Ludwig XIV. im Edikt von Fontainebleau das Toleranz-edikt von Nantes3 und verbot den Hugenotten die Religions-ausübung und die Auswanderung bei Todesstrafe.
200.000 Hugenotten, unter ihnen auch Waldenser4 aus dem Pragelatal, gelang dennoch die Flucht in protestantische Länder, wo sie als Réfugiés gerne aufgenommen wurden.
Edikt von Nantes (englische Miniatur)
Innerhalb weniger Monate flohen Hunderttausende, vor allem in die calvinistischen Gebiete der Niederlande, die calvinistischen Kantone der Schweiz, nach Preußen und in das russische Zarenreich.
Durch Krieg, Real-teilung5, Missernten, überhöhte Belastungen des Staates (Abgaben) und religiöse Unterdrückung kam es dann Ende des 17. Jahrhunderts zu Auswanderungen nach Übersee.
Mennonitenpaar
Es waren Protestanten wie z. B. Mennoniten6, Amische7 und Quäker8. Viele von ihnen kamen aus der Kurpfalz und hatten dort erst einige Jahre oder Jahrzehnte Unterschlupf erhalten.
Das Hauptziel war der Quäkerstaat Pennsylvania, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der religiösen und gesellschaftlichen Frei-heiten, wo jedem Siedler eine bestimmte Anzahl Ackerfläche genehmigt wurde.
Germantown
1683 wurde die erste deutsche Siedlung, Germantown genannt, heute ein Stadtteil von Philadelphia in den Vereinigten Staaten, gegründet. Im Jahr 1700 lebten hier 64 Familien und 1790 waren es bereits über 3.000 Bewohner, in der Überzahl Pfälzer und Württemberger.
1 Konfessionalisierung bezeichnet die Theorie über die Entwicklung von Kirche, Staat und Gesellschaft zwischen dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden (1555) und dem 30-jährigen Krieg (1618-1648). Die Spaltung der Christenheit in mehrere Konfessionen hat nicht nur in der Kirche und auf religiösem Gebiet große Veränderungen bewirkt, sondern die Gesellschaft in allen Teilbereichen tief greifend verändert.
2 Augsburger Religionsfrieden:
Reichsgesetz vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. (Kaiser Karl V.) Vertreter und den protestantischen Reichsständen zur
Beruhigung der ausbrechenden Unruhen zwischen den protestantischen und den katholischen Reichsständen.
Die wichtigsten Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens waren: Den Lutheranern (nicht aber den Reformierten) wurde Frieden und Besitzstand
garantiert; den weltlichen Fürsten wurde Religionsfreiheit zugesichert sowie das Recht, über die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen
(Cuius regio, eius religio). Das bedeutete aber nicht religiöse Freiheit der Untertanen oder gar Toleranz, sondern Freiheit der Fürsten,
ihre Religion zu wählen. Wer nicht konvertieren wollte, erhielt lediglich das "Recht" eingeräumt, unter Zahlung einer Nachsteuer und Mitnahme ihrer Habe, in ein Land ihres Glaubens auszuwandern; die geistlichen Fürsten wurden von der Religionsfreiheit ausgenommen; wenn sie zur Reformation übertraten,
verloren sie Amt und Territorien; damit sollte die katholische Reichskirche geschützt werden. Die Säkularisation (meist durch Enteignung
vollzogene Umwandlung von Kirchengut in weltlichen Besitz) von Kirchengut wurde bis zum Passauer Vertrag von 1552 rückwirkend legalisiert,
weitere Säkularisationen wurden verboten.
3 Edikt von Nantes =
amtlicher Erlass, der am 13. April 1598 in Nantes vom französischen König Heinrich IV. unterzeichnet wurde
und der den calvinistischen Protestanten (Hugenotten) im katholischen Frankreich freie Religionsausübung
und politische Sonderrechte garantierte. Zuvor hatten die Calvinisten oder Reformierten eine mehr
als 60 Jahre dauernde Verfolgung im gesamten Land zu erleiden gehabt, die immer wieder zu Bürgerkriegen,
den sog. Hugenottenkriegen, geführt hatte. Zehntausende Protestanten waren in diesen Jahrzehnten
ums Leben gekommen oder hatten Frankreich verlassen.
Als die Hugenotten sich in den Kriegen von 1621/22 und 1625-29 erneut der Krone entgegenstellten,
verloren sie durch den Kardinal Richelieu alle politischen Sonderrechte und Sicherheitsplätze, wurden allerdings
religiös weiter geduldet.
De facto beendet wurde diese Duldung mit der offiziellen Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig
XIV. (Edikt von Fontainebleau, 1685), das die Freiheit der Religionsausübung so stark beschränkte,
dass sich mehr als 200.000 Hugenotten gezwungen sahen, Frankreich zu verlassen.
4 Waldenser = eine als Vorläuferin der Reformation berühmte religiöse Genossenschaft des 12. Jahrhunderts, die ihren Namen einem reichen Bürger von Lyon, Petrus Valdez oder Waldus, verdankt.
5 Durch die Realteilung wurde
der Besitz einer Familie, insbesondere der Landbesitz, real unter den Erbberechtigten aufgeteilt.
Diese Aufteilung fand bei jedem Erbgang statt, sodass die Anzahl von Kleinstparzellen mit der Zeit
anstieg. In der Landwirtschaft führte die fortgesetzte Realteilung zu einer Zersplitterung des Ackerlandes
in eine Vielzahl kleiner Äcker, oft in Form schmaler Streifen.
Die Realteilung führte in Altwürttemberg dazu, dass die Äcker bald zu klein waren, um eine
Familie zu ernähren, deshalb gab es in Württemberg schon früh Nebenerwerbslandwirte, die
nebenbei ein Handwerk betrieben. Gleichzeitig sicherte das ererbte Gut einen Mindestunterhalt, denn man
erbte nicht nur ein Stück Acker, sondern auch einen Anteil am elterlichen Haus. Allerdings waren
das oft nur einzelne Zimmer, in denen sich ganze Familien zusammendrängten.
6 Mennoniten = Anhänger einer evangelischen Freikirche, die die Erwachsenentaufe pflegt u. den Wehrdienst u. die Eidesleistung ablehnt.
7 Amische = eine Gruppe der Mennoniten, die sich wegen ihrer strengeren Auffassung von Kirchenzucht 1693 von den übrigen Mennoniten trennte und seither eine eigene religiöse Gemeinschaft bildet.
8 Quäker =
eine christliche Religionsgemeinschaft, die vor allem in den englischsprachigen Teilen der Welt und
in Afrika Verbreitung fand.
Grundgedanke ist die Vorstellung einer Erleuchtung durch Gott, die jeden Menschen als Quelle der
Gotteserkenntnis und einer wirklich christlichen Lebensführung erreichen kann. Sakramente, wie Kindertaufe und Abendmahl
werden verworfen, Vergnügungen gelten als anrüchig, Kriegsdienst wird abgelehnt.